Das Theater mit dem Populismus und die Scham deutsch zu sein

Heute gibt es 2 Beiträge in einem. Und ich hab viel zu sagen. Es gibt was zum Thema Wahl und zum Thema Populismus. Und heute muss ich, entgegen meiner üblichen Art, sehr energisch und deutlich werdenDie Wahl

Ok. Heute breche ich ausnahmsweise mit meinen Regeln. Normalerweise versuche ich immer zu integrieren, zu verstehen, Türen offen zu halten. Heute will ich das nicht. Heute bin ich einfach nur persönlich getroffen und enttäuscht und will das ganz deutlich und ganz persönlich zum Ausdruck bringen: Als allererstes möchte ich sagen, dass ich mich, nach vielen Jahren, in denen ich mich immer mehr mit meinem Deutsch-Sein anfreunden konnte und wieder stolz wurde auf unser Land, seit heute wieder schäme für meine Mit-Deutschen und Deutschland.

Wie ich schon ein paar Mal geschrieben habe, lasse ich persönlich das Argument einer „Denkzettelwahl“ nicht gelten. Denn für mich ist eine Wahlstimme die Verantwortung, die man für die Gesellschaft hat und kein Vehikel für kleinliche Abrechnerei. Jeder erwachsene Mensch muss in der Lage sein so verantwortungsbewußt zu sein, dass er die Partei wählt, die aus seiner Sicht für die Gemeinschaft aller Menschen in Deutschland das Beste ist und nicht nur für ihn persönlich. Es ist eine Schande für uns alle, dass es eine Partei in den Bundestag geschafft hat, die Menschen die Ausübung ihrer Religion verbieten will. Es ist eine Schande für unsere Demokratie, dass so viele eine Partei gewählt habe, die es für richtig hält andere Menschen bei Veranstaltungen zu terrorisieren. Und dass eine Partei in den Bundestag kommt, die auf veraltete Ideologien, Hass, Hetze, Teilung und Furcht setzt und nix Konstruktives, Positives zu sagen hat, ist eine Schande für die Menschen, die die afd gewählt haben.

Die afd hat nix Neues auf Lager, keine Visionen. Das, was sie anbietet ist die Rückkehr zur Vergangenheit. Wo sind die Ideen, das Wissen, die Neugier, das Vertrauen in sich selbst und andere? Die afd ist eine ängstliche, hasserfüllte, kleine Partei (das einzige, was mich tröstet, ist, dass trotz der vielen Stimmen, die die Partei diesmal gekriegt hat, sie nur sehr wenige Mitglieder hat, ich glaub 29.000). Und dass Menschen eine Ideologie-Fanatikerin unterstützen, die scheinbar nichts als verworrenen Hass für die Demokratie und Deutschland hat, ist eine Schande für jeden Menschen mit Integrität. Ich schäme mich ausländische Zeitungen aufzuschlagen und zu lesen: „Nazis wieder an der Macht in Deutschland“ und dann da die ganzen afd-Entgleisungen aufgelistet zu sehen, von der „entstellten Kunst“ bis zum „Erschießen von Menschen an der Grenze“ bis zu gauland, der immer noch im 2.Weltkrieg lebt und scheinbar nicht darüber hinwegkommt, dass Deutschland nicht die Welt beherrscht und zu einem Juden sagt: „Ihr habt den Krieg ja auch gewonnen.“ Das Schwein. Das einem Juden ins Gesicht zu sagen, nachdem wir Millionen Juden ermordet haben, ist jenseits von Böse. Und dass er tatsächlich anscheinend fühlt, die Juden hätten mit Deutschland Krieg geführt, zeigt seine verkorkste Ideologie. Es tut mir leid, ich kann das alles nicht anders nennen. Dass Menschen in Deutschland sowas wählen, trifft mich bis ins Herz. Ich schäme mich für Deutschland.

Ich mal mir aus, wie jeder einzelne Ausländer in Deutschland sich nun fühlen muss und ich werd ungeheuer zornig auf die afd und ihre Wähler. Ich finde es widerlich, mir wird schlecht dabei, wenn afd-Politiker sagen: Wir holen uns unser Land zurück und ihre Anhänger daraufhin die Nationalhymne singen. Wir haben 2017, verdammt nochmal. Und sie tun so als sei es 1930. Und da wollen sie auch hin, man muss nur ihre Reden hören, dann wird das sehr deutlich. Und jeder einzelne, der diese Partei gewählt hat, ist mit verantwortlich für alles, was ab jetzt passiert. Ich sage das alles absichtlich in dieser absoluten Deutlichkeit. Denn es kann keine Zweideutigkeit in den genannten Punkten geben. Nicht für mich.

Bemerkenswert für mich ist: Ich dachte, der heutige Tag wäre für mich schwer zu ertragen. Ich hatte beschlossen das Netz auszumachen, damit ich nicht ständig frustrierter und verletzter werde mit jeder neuen Hochrechnung. Ich dachte, ich muss mich nach der Wahl ein paar Tage zurückziehen und mich erst wieder aufbauen. Obwohl ich nicht denke, dass die Partei sich lang halten wird, hab ich mich in den letzten Wochen erstmals mit dem Gedanken befasst, Deutschland zu verlassen und auszuwandern. Denn eine rechtsradikale Partei im Bundestag wäre schon schlimm genug für mich, wenn sie sich an die normalen, zivilisierten gesellschaftlichen Regeln halten würde und die Gesellschaft nicht weiter verrohen würde. Aber eine rechtsradikale und populistische Partei im Bundestag ist ein Schritt zuviel für mich. Aber genau das Gegenteil ist bis jetzt der Fall. Jetzt bin ich empört und richtig, richtig sauer (und das kann nu unangenehm werden, das haben sie sich jetzt selber eingebrockt!). Und ich lass mir mein Deutschland, in dem ich gern lebe, in dem ich mich frei, aufgehoben und sicher fühle, nicht von der afd und ihren Wählern kaputtmachen und stehlen. JETZT ERST RECHT NICHT!!! Wobei ich das Verlassen Deutschlands immer noch im Hinterkopf habe, je nachdem, wie die nächsten Monate sich entwickeln und wie schlimm es wird.

Da ich von Natur aus versöhnlich und nahezu unkaputtbar bin, kann es wohl sein, dass ich morgen schon wieder optimistischer bin. Aber momentan hab ich sehr große Angst um unser Land, unsere Demokratie, unsere Zukunft und unsere Gesellschaft. Und ich schäme mich so. Ich hab zum Beispiel Angst, dass keine Koalition zustande kommt, es Neuwahlen gibt und wir plötzlich von der afd regiert werden. Ich habe Angst um die ausländischen Mitbürger, die nach diesem Wahlergebnis sicher mehr Angriffen ausgesetzt sind. Ich hab Angst, was das mit unserer Polizei und Bundeswehr macht, die ja eh schon so weit nach rechts neigen, dass in letzter Zeit sowohl ein Mitglied der Bundeswehr, als auch ein Polizist rechtsradikale Terroranschläge geplant haben. Ich hab Angst um unsere Rechtsstaatlichkeit. Ich habe Angst.

Abstrus ist für mich: Es haben wohl viele Migranten für eine Antimigranten Partei gestimmt. Die Leute aus der Ex-ddr: Migranten und Migrantenkinder (sie haben zwar ihr eigenes Stück Land mitgebracht, sind aber letzten Endes in die BRD und ihre Strukturen aus einer fremden Kultur integriert worden (und hatten wie Migranten auch nicht viel dabei mitzureden, sondern sich anzupassen) und wurden mitgetragen von uns. Und wie es scheint, sind viele auch heute immer noch fremd in Deutschland). Menschen, die erst seit einer Generation oder so den deutschen Pass haben und deren Familien aus Polen, Ungarn, Tschechien, Russland etc kommen (von denen sind erstaunlich viele afd-Symphatisanten, als hätten sie ihre eigene Herkunft ganz vergessen): Migranten und Migrantenkinder.

Ich wünsche niemand was böses (mit einer Handvoll Ausnahmen zu denen zum Beispiel trump gehört und auch diese frau aus der afd mit der email. Und auch denen wünsch ich nix wirkliches oder persönlich böses, sondern nur (ganz kindisch) irgendwas, was macht, dass sie die Welt nicht länger vergiften und demoralisieren) und wer mich liest und/oder kennt, weiß das sehr wohl. Auch den Menschen, die afd gewählt haben, wünsche ich natürlich nichts böses. Eigentlich wünsche ich Ihnen sogar was Schönes: Dass sie aufhören zornig, egoistisch und ängstlich zu sein und Menschen, die sie nicht kennen als Feinde zu sehen, sich nicht aufwiegeln und weiter ins Bockshorn jagen lassen und stattdessen mit uns allen daran arbeiten Dinge zu verbessern. Und falls das unmöglich ist, falls der Graben zu weit ist, wünsche ich mir, dass das Karma sie deftig einholt und dann wünsche ich uns allen, dass sie daraus ernsthaft was lernen: Wer Hass und Teilung wählt, ist auch für dessen Folgen verantwortlich. Und aus was Negativem, kann nie etwas Positives entstehen. Und hört verdammt nochmal auf so zu tun als wäre die afd eine normale, demokratische Partei und das Verhalten einiger ihrer Wähler normales, zivilisiertes Benehmen. Das ist es nicht und das wisst Ihr auch ganz genau. Dass eine Partei wählbar ist in einer Demokratie, macht sie noch nicht demokratisch. Auch hitler’s Partei wurde demokratisch gewählt.

Was jetzt passieren muss, ist die afd einfach zu ignorieren. Wir dürfen ihr keine Platform geben. Schreibt nicht mehr über sie als unbedingt nötig, lasst sie einfach ins Leere laufen mit ihrem Hass und ihren Provokationen. Wir dürfen nicht deren Marionetten werden, die mit jeder Eskalation erneut geschockt werden und diese dann tagelang diskutieren. Wir dürfen uns deren Niveau nicht aufpressen lassen. Die Bundesländer und Gemeinden, in denen schon afdPolitiker sitzen, arbeiten nach eigenem Bekunden einfach um diese herum, weil eine konstruktive, zivilisierte Zusammenarbeit nicht möglich ist. Das erwarte ich auch vom Bundestag. Wenn die nicht zivilisiert und demokratisch können (und davon gehe ich aus), dann sollen sie sich aufreiben und heiser schreien. Einfach ignorieren. Einige befragte Politiker, die auf lokaler Ebene schon mit der afd zusammenarbeiten müssen, sagen, das geht ganz gut nach einer Weile.

Der Populismus

Ok, hier folgen ein paar Gedanken, zum Thema Populismus und wie wir ihn ins Leere laufen lassen können, da wir uns ja jetzt auf 4 Jahre dieser Eskalations- und Aggressions-Scheiße gefasst machen müssen:

Ich hatte diese Woche 2 Diskussionen mit Personen, die – um nicht nichtssagende politische Begriffe zu bemühen – zu der Fraktion Mensch gehören, die das Wort Lügenpresse mit Genuss und Rechtschaffenheit in den Mund nehmen. Das war faszinierend, wenn auch erschreckend. Es war war, als wäre ich in einem muffigen Wohnzimmer mit einer erdrückenden Schrankwand eingeschlossen und die Zeit ist stehengeblieben. Da war kein Leben, keine Wärme, keine Toleranz, keine Empathie, keine Freude – nur Misstrauen allem lebendigen, offenem, lebhaftem gegenüber und starrer, staubiger Ideologie-Mief.

Was faszinierend war, war die Psychologie hinter einigen Manövern aus der Nähe zu beobachten. Ein beliebter Trick ist das Fokussieren auf eine einzelne Sache, sie herauslösen aus allen Kausalitäten und sie dann scheinheilig zu verallgemeinern. Ich sage scheinheilig, weil die individuelle Realität absichtlich unter den Tisch gekehrt wird, nur um einen Effekt zu erzeugen. Nimm das schreckliche Wort „Lügenpresse“. Der Begriff „Lügenpresse“ projeziert einen homogenen Zusammenschluss einer bestimmten Berufsgruppe (Journalisten), der als Block beschlossen hat eine bestimmte Sache zu tun (nämlich lügen), um etwas zu erreichen (hier wird es schon etwas kruder, denn hier kommen dann die individuellen Vorurteile derer ins Spiel, die den Begriff nutzen. Sucht Euch aus, was genehm ist: Die Welt nach ihrem Gusto einrichten, der herrschenden Klasse zu dienen, die Übernahme der Welt durch – hier gibt es die Variablen „Islamisten“ oder „Juden“ vorzubereiten oder unterstützen oder einfach nur die guten, braven, ehrlichen Bürger zu verarschen. Sicher gibt es noch mehr Verschwörungstheorien, die ich noch nicht gesehen hab, aber ich denke, es ist klar, was ich meine).

Das ist typische Populismus Propaganda. Ich konnte es ja jetzt nochmal von nah und in Aktion sehen und das war sehr erhellend und interessant. Diese Propaganda funktioniert über einen One-Two-Punch: Einerseits Aggression – etwas sagen, was entweder so abstrus und außerhalb der gesellschaftlichen Norm oder so unbeantwortbar ist, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll das auseinanderzudröseln. Damit ist das Gegenüber nicht nur direkt auf dem falschen Fuß erwischt, sondern auch direkt in der Verteidigungsposition. Und in einer unverteidigbaren Verteidigungsposition: Denn wie soll man einem so pauschalen Angriff begegnen? Das ist eine ungewinnbare Position (und nein, sie ist nicht ungewinnbar, weil es real eine Lügenpresse gibt). Sie ist ungewinnbar, weil ein Verteidiger kein ganzes Feld überschauen oder abdecken kann oder sollte. Und das weiß der Populist sehr genau. Und hat der Populist den Gegner erstmal so ins Hintertreffen gebracht, wird er in einem zweiten Schritt ständig außer Atem gehalten, die Torpfosten werden ständig verschoben.

Man hat aktuell letztendlich nur drei Möglichkeiten auf Populisten zu reagieren: Entweder genauso undifferenziert und unbeweisbar populistisch zu antworten: Nein, es gibt keine Lügenpresse und genau wie die Gegenseite keinen Beweis dafür zu bringen. Sich darauf einzulassen und zu versuchen Realität in das Ganze zu bringen oder sich einer solchen Kommunikationsebene zu verweigern. Das ist übrigens ein weiterer Populisten-Trick: Wenn man sagt, dass man auf dieser Ebene nicht kommunizieren kann, werden vom Populisten flugs die Torpfosten verschoben und von dem, was real gesagt wurde, nämlich, dass man auf dieser Ebene nicht kommunizieren kann, wird ein weiterer Angriff gestartet und es wird sich auf die Kommunikationsverweigerung konzentriert im Sinn von: „Ihr“ tut immer so, als wärt Ihr offen, aber wenn man dann mal wirklich bereit ist zu kommunizieren und unangenehme Sachen auf den Tisch kommen, dann macht Ihr dicht.“

Hier werden gleich wieder ganze Karren von Torpfosten verschoben: 1. Ist es Sand in die Augen gestreut, es war von seiten des Populisten nie eine Bereitschaft zu kommunizieren da, denn Kommunikation ist miteinander, nicht gegeneinander. Man kann nämlich sehr wohl miteinander kommunizieren, auch, wenn man unterschiedliche Standpunkte vertritt. Nur nicht mit Populisten 2. Es war nie eine unangenehme Sache auf dem Tisch. Ein populistischer Vorwurf war auf dem Tisch, das ist alles. 3. Niemand macht „dicht“, wenn man nicht bereit ist, sich respektlos verarschen und vorführen zu lassen. Was tatsächlich passiert, ist, dass man sich weigert das Spiel so mitzuspielen.

Wenn man sich nun trotz allem bereit erklärt Opfer von diesen Taktiken zu werden und sich auf eine Diskussion mit einem Populisten einlässt und versucht Realität in das alles zu bringen, beginnt man vielleicht damit, zu erklären, dass Zeitungen, Radio – und Fernsehstationen in der Regel davon leben Geld zu verdienen. Punkt. Sie haben keinen hehren Auftrag, sie sind Unternehmen. Und daher neigen sie dazu, das zu schreiben, was ihrer Ansicht nach die meisten Leser anspricht. Ganz simpel und überhaupt nicht sinister. Und selbst, wenn eine Zeitung eine bestimmte politische Linie verfolgt, ist das ihr Recht und hat nichts mit Beeinflussung zu tun. Genauso, wie jeder Bürger das Recht hat, die Zeitung nicht zu lesen. Oder man könnte darauf hinweisen, dass Journalisten Menschen sind. Menschen haben Ansichten. Und selbst, wenn der Mensch es noch so versucht, werden diese immer in alles mitreinspielen. Und man wird dann vielleicht sagen, dass das ja aber nicht schlimm ist, denn erstens ist er damit repräsentativ für die Gesellschaft und losgelöst davon, sollte sich jeder Mensch, jeder Leser der Tatsache bewußt sein, dass es aufgrund der natürlichen Gegebenheit immer nur eine bedingte Objektivität geben kann. Alles andere wäre scheinheilig. Und man wird vielleicht versuchen zu erklären, dass es unsinnig ist anzunehmen, dass die Journalisten sich konspirativ zusammengeschlossen haben und darauf verweisen, dass es viel eher wahrscheinlich ist, dass sie eben wie gesagt die mehrheitliche Meinung in der Gesellschaft widerspiegeln. Und wenn weniger Menschen mit einer bestimmten Meinung zu Wort kommen, dann vielleicht deshalb, weil sie eine Minderheit sind? Nur so ein Gedanke… Und dass niemand gezwungen wird auch nur eine Zeile davon zu lesen. Und dass jeder heutzutage sogar seine eigene Zeitung machen kann, wo er/sie berichtet, was ihm/ihr wichtig ist (solange man bei einer generellen Wahrheit bleibt).

Wenn man das alles erzählt hat, dann gibt es in der Regel einen weiteren Torpfostenwechsel. Denn in dem Moment, in dem man etwas Realität in das Ganze gebracht hat, riskiert der Populist zu verlieren. Die Entzauberung beginnt. Es ist, wie im Club, in dem das Licht angeht. Plötzlich sieht man die Schäbigkeit und den falschen Glanz des Ganzen. Also wird dann sofort der nächste Angriff gestartet. In der Regel wird nun ein konkretes Beispiel von irgendeiner falschen Berichterstattung genannt bzw. wird einem vorgeworfen und man solle das nu bitte schön mal verteidigen (warum sollte ich einen Fehler verteidigen wollen, ganz nebenbei gefragt?). Ich bitte hier zu beachten, dass wir mal gestartet sind bei der Aussage, dass es eine Lügenpresse gibt, also, dass die Presse an sich und gezielt lügt. Was also ein Beleg für sowas wäre, wäre ein Beispiel von abgesprochenen, abgekarteten Berichterstattungen, die von vornherein klar als Lüge erkennbar waren. Was statt dessen geliefert wird ist ein Beispiel eines möglichen Fehlverhaltens (oder vielleicht auch zwei) und das wird dann exemplarisch als „Beweis“ für diese generelle Verschwörung angesehen. Nun, wenn sowas als „Beweis“ für die Existenz einer Lügenpresse gilt, dann muss auch jedes Gegenargument, das zeigt, dass die Presse die Wahrheit geschrieben hat, als „Beweis“ dafür gelten, dass es sowas wie Lügenpresse nicht gibt, oder? Ist nur logisch, oder?

Ein anderer beliebter Populisten-Trick ist folgender: Wenn man versucht ein Problem praktisch anzugehen und einen Lösungsansatz vorschlägt, der die Situation verbessert, aber (natürlich) nicht die gesamten Weltprobleme löst, wird der Lösungsansatz sofort unterlaufen mit dem Hinweis, dass man damit ja nur „einen Teil der Probleme löst“. Doh! Wie dumm von mir, dass ich denke etwas Verbesserung ist besser als keine und dass ich nicht mit einem Augenzwinkern die Welt verändern kann! Dieses Manöver wird vom Populisten dann gern kombiniert mit dem gleichzeitigen Verschieben von neuen Torpfosten, sprich, wenn man grad über das Problem von Sprachbarrieren geredet hat, wird plötzlich von Kriminalitätsrate oder „besorgten Bürgern“ gesprochen. Natürlich gibt es Populisten nicht nur in der Politik, sondern überall. Ich kenne das ganze zum Erbrechen auch aus dem Radsport. Im Radsportfan-Milieu gibt es viele Populisten und ich kann mich an unzählige Diskussionen erinnern, die ungefähr so liefen:

Aussage: „Schafft die Funkgeräte ab, die Fahrer sollen wieder lernen selbst zu denken“.

Das zieht sofort folgendes, im rechtschaffenen Ton der künstlichen Entrüstung vorgetragen: „Ja klar, am besten gehen wir zurück zu Holzrädern und die Fahrer müssen ihr Rad bei Defekt wieder selbst reparieren!“

Das ist klassisch Populist: Nicht auf das eingehen, was gesagt wurde, sondern dem Gegenüber eine Meinung unterstellen und das ganze sofort ins Himmelschreiende zu eskalieren. Populisten reagieren meist nicht auf das Gesagte, sondern eben auf die Ansicht, die sie dahinter vermuten. Leute, lasst Ihnen das im Gespräch nicht durchgehen, holt sie immer wieder aufs Neue auf die reale Ebene zurück, denn diese Masche ist praktisch der Dreh-und Angelpunkt ihrer Rhetoriktricks. Ich hör hier nu auf diese populistischen Gesprächtaktiken aufzuzeigen, weil ich schon Kopfschmerzen von dieser verdrehten Art zu denken, handeln und fühlen hab. Ich denke, es ist klar geworden welche Taktiken genutzt werden, um in kurzlebigen Sequenzen und auf den ersten Blick gut dazustehen.

Populismus ist ein Placebo, das man bei näherer Betrachtung auch sofort als solches erkennt. Deshalb eignet sich das Internet, Wahlauftritte, Bierzeltauftritte, Provokationen und Fernsehen mit ihren kurz und knackig Einzeilern perfekt dafür. Populismus kann auf Dauer nie in der realen Welt bestehen. Denn die ist komplex und damit absolut inkompatibel mit Populismus. Deshalb gehen die meisten Populisten, nach einem initialen Anstieg in der Beliebtheit, auch meist schnell wieder unter und bleiben auf einem harten Anhängerkern sitzen. Und die Politiker, die mit Populismus an die Macht gekommen sind, gehen in einem zweiten Schritt her und arbeiten das System mit oder ohne Einwilligung der Bürger so um, dass niemand mehr unangenehme Fragen stellen kann und erhalten sich ihre Macht auf diese Weise.

Eine weiterer, nahezu niedlicher Versuch von Populisten sich zu positionieren und Macht zu erlangen, ist übrigens die Mär von ihrer Unterdrückung. Es gibt Menschen auf diesem Planeten, die in echt unterdrückt werden. Die keine Stimme haben und für jedes falsche Wort mit dem Tod rechnen müssen. Es gibt Menschen, die in den Gesetzen ihres Landes nicht repräsentiert werden. Und es gibt Menschen, die zwar prinzipiell Rechte haben, diese aber in Wahrheit nie bekommen, weil die Zivilgesellschaft sich diesem verweigert (da fallen mir zum Beispiel Nicht-weiße Menschen in amerika ein oder Frauen in bestimmten Bereichen und Ländern). Wer ganz sicher weder Opfer von Unterdrückung oder Diskriminierung sind, sind zum Beispiel weiße Männer in amerika oder afd-Symphatisanten. Auch hier haben wir wieder eine willentliche Verdrehung der Tatsachen durch Populisten: Sie erfahren Ablehnung – und setzen das gleich mit gezielter Unterdrückung. Das ist einfach nur Unsinn. Gefährlicher, lächerlicher Unsinn.

Jede Gesellschaft hat ihren Konsens. Das liegt in ihrer Natur und ist überhaupt nicht böswillig. Und der Konsens wird geprägt von der Mehrheit, ob man das will oder nicht. Wenn jemand außerhalb dieses Konsens steht, dann mag es sein, dass er nicht gehört wird, aber lediglich, weil keiner zuhören will und nicht, weil sie unterdrückt werden! Wenn ich jetzt sage: Die Erde ist quadratisch, dann finde ich kein Gehör. Aber nicht, weil mich jemand unterdrückt oder gemeinerweise meine Botschaft konspirativ geheimhalten will. Nein, ich finde kein Gehör und keine Plattform, weil ich mit meiner Aussage außerhalb des Konsens stehe (und Blödsinn quassele) und mir keiner zuhören will! Und nicht zuzuhören ist das Recht der Menschen. Es ist dann an mir die Leute von der würfeligen Erde zu überzeugen. Niemand hindert die afd ihre Meinung zu sagen. Dass sie Probleme hat in den Mainstream zu kommen liegt an ihrer Meinung und ihrem Verhalten und ist keine Unterdrückung oder Diskriminierung, sondern lediglich eine Frage dessen, was in der Gesellschaft akzeptabel ist. Wie ein beleidigtes Kleinkind stampfen dann bestimmte Leute mit dem Fuß auf und schmollen: „Nu, wenn ihr mich nicht hören wollt, dann seid ihr alle schlecht und lügt. Ihr..Ihr.. Lügenpresse!!!“

Es ist alles sehr durchschaubar und nostalgisch, die Ansichten der Populisten kommen mit dem Staub von 100, 70 oder 50 Jahren, aber jeder etwaige altmodische Charme von überholten Ansichten über Macht und gesellschaftliche Verhältnisse verliert sich schnell, wenn man mal wirklich über all diese psychologischen Taktiken nachdenkt. Sie haben alle folgendes gemeinsam: Sie sind unehrlich, manipulativ, respektlos und psychologisch gewalttätig. Was für mich am meisten heraussticht ist ihre Unehrlichkeit und der Wille sich zu prostituieren für Macht und Dominanz über andere. Es bleibt der Eindruck, sie würden alles benutzen, solange es ihnen „den Sieg“ bringt. Sie stören sich an Antidiskriminierungsgesetzen, aber wenn es ihnen nutzt, benutzen sie sie für sich selbst. Wo ist denn da Charakter? Wo sind denn da Prinzipien?

Wisst Ihr, was Populismus letzten Endes ist? Entertainment. Theater. Ein Schauspiel ohne Inhalt für die Zuschauer. Nicht mehr. Und vielleicht sollten wir über unsere Schatten springen und mitspielen, als würde das, worüber man redet, nichts bedeuten. Vielleicht. Aber ich kann es einfach nicht. Es käme mir wie ein Verrat vor. Und tatsächlich – durch die Methoden, die der Populist benutzt, verrät er nämlich seine wahre Natur: Er benutzt Menschen, Wahrheiten, Prinzipien so wie es für ihn am nützlichsten ist und hat keinerlei Ehrfurcht oder Respekt vor ihnen oder der Wahrheit, weil sie ihm scheißegal sind! Würde es ihm wirklich um ein Thema, Migration z.B., gehen und ihn das ernsthaft umtreiben, würde er echte Zahlen, Studien und Erkenntnisse nutzen, um das Thema anzugehen. Er würde alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, selbst solche, die er eigentlich ablehnt, um zu einem guten Ergebnis zu kommen und das Ganze real anzugehen. Tut er aber nicht. Warum? Weil ihm letztendlich das Thema selbst scheißegal ist, er will nur Recht haben, andere bestrafen, seine Ideologie durchsetzen und Macht. Und so jemand kann man nicht vertrauen.

Es bleibt festzuhalten: Der leichteste Weg mit Populismus im im Zwiegespräch umzugehen, wäre: Mit Populismus. Alles andere ist sehr schwierig, denn wie ich gerade versucht hab zu zeigen, ist das, was ein Populist anbietet an Kommunikation, eine Lüge. Denn es ist einfach keine Kommunikation, in der man auf der gleichen Ebene und mit ehrlichen Mitteln versucht sich auseinander zu setzen und zu einer Lösung oder Erkenntnis zu kommen. Nu haben wir das Problem (mit „wir“ meine ich Menschen, die Populismus ablehnen), dass wir Prinzipien haben und deshalb eben nicht populistisch agieren können (weil wir das ablehnen, logisch, wa?). So bleibt als einzig reale Alternative eigentlich nur, sich nicht einzulassen. Dann johlt zwar die Zuschauermenge, aber es ist wohl das kleinere Übel, anstatt sich atemlos vom Populisten im Kreis rumscheuchen zu lassen.

Aber es gibt Hoffnung: Was die Nichtpopulisten machen müssen, ist anstatt zu versuchen dem Populismus mit normalen oder populistischen Mitteln beizukommen, sich neue Wege zu überlegen, wie man Populismus aushebeln kann. Und die gibt es. Jeder Mensch hat in sich das Verlangen, die Sehnsucht nach was realem, was wahrem. Das treibt ja manche erst in die Arme von Populisten. Weil sie das simple als „ehrlich“ missverstehen. Also müssen wir ihnen das reale geben und/oder ihnen zeigen, dass der Populismus nicht real ist. Wenn jemand sich lächerlich macht mit einem populistischen Mantra, dann kann man diese Lächerlichkeit ruhig offenlegen. Nicht indem man sagt: Das ist ja lächerlich, sondern indem man sich nicht aus der Ruhe bringen lässt und die offensichtlichen Lücken im Populismus aufzeigt. Indem man hinterfragt. Der Populist versucht ja den Ball immer in den Strafraum des Gegners zu bringen und ihn dann in Bewegung zu halten. Das ist sein einziger Zug, wohlwissend, dass dann die Defensive auftaucht. Und dann hat er bereits gewonnen. Wenn man aber den Spieß umdreht, dann zeigt sich schnell, dass er selbst seine Flanke entblößt hat und niemand im Tor steht. Und dann kann man punkten. Oder man kann den Populisten ignorieren (nicht arrogant, sondern souverän) und sich nicht an ihn, sondern an das Publikum wenden (macht der Populist ja auch so) und denen das Reale geben. Man kann z.B. einen realen Journalist dazuholen, um denen zu zeigen, dass das keine nebulöse Masse ist, sondern Menschen, die sich den Fragen und der Kritik stellen.

Also der beste Weg sich gegen Populisten zur Wehr zu setzen, ist wohl sie zu erkennen und dann offen, ehrlich und ohne Angst direkt mit denen zu kommunizieren, die der Populist verführen möchte, sein Publikum zu sein. Ohne Angst zu haben Fehler zuzugeben und zu sagen, dass man auch nicht auf alles eine Antwort hat. Aber dass man versucht, das Beste für alle zu geben und menschlich zu sein.

Populisten zu parieren ist also möglich, aber nicht einfach. Durch das Internet haben sie gerade Zulauf. Deshalb muss der Umgang mit ihnen jetzt gelehrt und geübt werden. Jede Partei, jeder, der in der Öffentlichkeit steht, sollte ein Populisten Kommunikationstraining bekommen. Sie sollten lernen Populisten zu erkennen und zu entschärfen. In all unserer Interesse, um das Niveau des Diskurs wieder anzuheben und nicht eine verdrehte, verrohte Kommunikation als normal erscheinen zu lassen. Denn ich bin es so was von leid, mir steht es bis obenhin, dass die Populisten ständig die Kommunikation in der Gesellschaft kidnappen und manipulieren und bei jedem bisschen, was nicht stimmt, wir alle ständig mit diesem Schreckgespenst, dieser (Be)Drohung leben müssen.

Nachwort

Ich möchte hier noch anmerken, falls es missverständlich ist, dass ich die Sorgen, Befürchtungen und Probleme der Menschen, die auf Populisten hören, durchaus ernst nehme und verstehe, selbst, wenn ich sie vielleicht nicht teile oder anders darüber denke. An dem Punkt bin ich voll bei Euch. Aber was ich ganz sicher nicht teilen kann und worum es mir hierin geht, ist die Reaktion auf diese Sorgen. Ich hab auch viel Angst vor der Zukunft. polen und ungarn, trump und brexit machen mur Angst, genau wie die afd und dass wir zu wenig tun in Deutschland, um unsere Gesellschaft zusammenzubringen, zu integrieren und das Leben für alle zu verbessern. Es macht mir Angst, dass es für viele einfacher ist zu hassen, als zu lieben. Es macht mir Angst, dass Bildung keinen Stellenwert mehr hat und große Firmen zuviel Macht haben. Es macht mir große Angst, dass so viele so unmenschlich geworden sind. Und weil ich selber Angst hab, kann ich Menschen so sehr, sehr gut verstehen, denen die Welt oder Situation auch Angst macht, die sich ausgeliefert oder hilflos fühlen. So fühl ich mich auch. Und ich bin auch oft zornig und frustriert von unserer modernen Welt. Wir können über alles respektvoll und ehrlich reden – ABER nichts, absolut nichts, rechtfertigt für mich afd zu wählen und auf Leute zu setzen, die so offensichtlich kein Interesse an Lösungen haben und die ihren Abscheu, Neid und Hass kultivieren. Die so offensichtlich manipulieren und benutzen und das ja auch selbst in ihren eigenen Stellungspapieren zugeben. Und vor allem rechtfertigt es nicht auf Leute zu setzen, die aggressiv sind, andere Menschen beleidigen und drangsalieren.

Glaubt Ihr wirklich, sie würden Euch nicht genau so benutzen, wie sie jetzt die Ausländer benutzen, wenn es ihnen einen Vorteil bringen würde? Unsere Bestrebung muss es sein das Leben für so viele Menschen wie möglich zu verbessern und gut zu machen. In- und außerhalb von Deutschland. Einerseits, weil wir davon profitieren, wenn es anderen gut geht (nicht umsonst ging es uns am besten, als wir die Themen Menschlichkeit und Individualismus groß geschrieben haben und sind wir auf dem absteigenden Ast, seit wir diesen Weg mit Hartz 4 verlassen haben. Das spielt sehr wohl eine Rolle). Andererseits, weil es menschlich das Richtige ist: Sei so zu anderen, wie Du selbst gern behandelt werden willst. Hilf anderen auf, die hingefallen sind, dann ist auch immer jemand da, der Dir aufhilft, wenn Du mal stolperst. Und das alles wird mit populistischen Parolen, mit Hass und Hetze ganz sicher nicht erreicht. Ihr verdient mehr als das. Wir alle verdienen mehr.

Der Ratschlag

Normalerweise versuche ich mich ja ganz arg vorzusehen, keine Ratschläge zu geben und Menschen nicht zu sagen, was sie denken sollen und was richtig oder falsch ist. Was ich schreibe sind immer nur meine subjektiven Gedanken und Ideen, die ich teilen will mit Euch und die ich Euch anbiete. Aber heute weiche ich, wie am Anfang angemerkt, davon ab, und möchte gern einen Rat geben:

Der beste Rat, den ich jedem geben kann: Haltet Euch fern von politischen Ideologien und jedem, der sie predigt. Eine Ideologie ist nichts anderes als eine Religion, im schlimmsten Fall eine Sekte. Ideologie macht blind und unflexibel. Eine Ideologie opfert Menschen für ein Prinzip. Was wir brauchen sind reale Menschen, die positiv denken und das Beste für alle rausholen wollen, die sich uns und der Dinge praktisch und respektvoll annehmen, keine Fanatiker.

8 Antworten zu „Das Theater mit dem Populismus und die Scham deutsch zu sein”.

  1. Hab nur den oberen Teil bis Populismus gelesen, teile Deine Meinung und Gedanken fast vollständig, bis auf das Auswandern. Bitte nicht Auswandern! Auch wir als die 87% stehen in der Verantwortung, ein Gegengewicht zu bilden. Auswanderung bedeutet Resignation und wir dürfen uns nicht klein kriegen lassen zumindest nicht so schnell. Wir sind immer noch 87%. Und dass Du Ostdeutsche als Migranten bezeichnest ist auch so wie Du es erklärst vielleicht richtig, genauso könnte man es auch als Annektion deklarieren. Ich glaube dass mancher Ostdeutscher das als Affront auffassen könnte. Die Migranten aus Osteuropa sind einfach islamfeindlich und denken sie seien was besseres; schau Dir doch die populistischen Regierungen in den Herkunftsländern an, Orban usw.

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    1. Danke für den Kommentar. Das tut gut! Es liegt nicht in meiner Natur die Sachen so sehr undifferenziert zu sagen, weil ich von mir selber am besten weiß, dass nicht alles schwarz/weiß und konsistent ist. Deshalb ist es mir nicht so leicht gefallen, es so zu schreiben. Mir ist schon ganz klar, dass nicht jeder, der afd gewählt hat, „es auch so gemeint hat“. Das hilft aber gar nix, weil sie „es so getan haben“. Und die Konsequenzen dessen und was das real heißt, wollte ich unmissverständlich klar machen. Auch auf die Gefahr hin, dass das vielleicht jemand verletzt. Manchmal ist es wichtiger deutlich als verständnisvoll zu sein.

      Ich hab schon ein paar Wochen über das mit den Ostdeutschen als Migranten nachgedacht und je länger ich darüber nachgedacht hab, desto mehr kam es mir vor, als ergäbe das einen Sinn. Die sind eigentlich ganz schön entwurzelt worden und wie von Migranten, wurde auch von ihnen erwartet, dass sie sich naht- und klaglos einfügen und alles aufgeben. Mit einem Riesenunterschied. Migranten haben noch eine „alte“ Heimat, zu der sie theoretisch zurück können, die Ostdeutschen nicht. Mir ist natürlich klar, dass manche mir diesen Satz übel nehmen könnten. So meine ich es zwar gar nicht, aber damit muss ich leben. Und Du hast recht: Annektion ist wahrscheinlich sogar sehr viel passender!

      Wegen der vielen „Neudeutschen“ aus dem Osten, die keine Empathie für andere Migranten haben: Ich glaub das hat mehrere Gründe. Ein Part ist tatsächlich eine latente, ausgeprägte Abneigung gegen Fremde, besonders nicht christliche Fremde. Und ein anderer ist was, was man oft beobachten kann: Die, die eigentlich den „Außenseitern“ am nächsten stehen sollten, weil sie selber grad noch Außenseiter waren, sind oft die, die am kältesten und unbarmherzigsten sind. Vielleicht, weil sie Angst haben was zu verlieren oder in einen Topf geschmissen zu werden? Mit dem Auswandern: Mal schauen, wie sich das hier entwickelt, vielleicht wird es ja auch gar nicht so schlimm. Du hast wieder recht, man sollte nicht aufgeben und alle anderen und das Land nicht im Stich lassen. Und vor allem denen das Feld nicht überlassen. Das liegt eigentlich auch ganz außerhalb meiner Natur. Aber momentan ist das alles bisschen heftig für mich, wie sicher auch für viele, viele andere und ich muss erstmal schauen, wie ich das emotional, gewissenstechnisch alles verknuse.

      Mit dem Populismus-Teil hast Du ja dann noch einiges vor Dir! Der ist mal wieder ellenlang. Hoffentlich dafür zumindest auch interessant und hilfreich! Nochmal danke für Deinen Kommentar, es ist immer so gut Unterstützung zu bekommen!

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      1. Ich finde den Beitrag gar nicht unreflektiert, ganz im Gegenteil! Bei der „Migration der Ostdeutschen“ klingt es zwar plausibel wenn Du es erklärst, ich wollte Dich jedoch darauf hinweisen, dass es sehr schnell mißverstanden werden könnte, wenn Du den Begriff „Migration“ dafür verwendest. Ich müsste mal darüber nachdenken, wie man das begrifflich klarer zusammen bringen kann, weiß ich auf die schnelle auch nicht. Ich sehe eben die Gefahr, dass Du damit anders rüber kommst als Du es meinst, wenn jemand sich nicht die Mühe macht es zu verstehen wie es gemeint ist und das fände ich sehr schade.

        Ansonsten hast Du mit allem total recht, auch mit den „älteren“ Migranten.

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  2. PS: den Rest lese ich heute Abend 🙂

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  3. Ich habe auch erst den ersten Teil geschafft, werde mich diesbezüglich auch noch mal melden. Aber was anderes:

    Weil ich Deinen Blog mag, habe ich Dich für den The Mystery Blogger Award nominiert.
    https://einefrageamtag.de/the-mystery-blogger-award
    Eine Teilnahme ist freiwillig, ich würde mich freuen, wenn Du dabei bist.
    Herzliche Grüße von Barbara

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    1. Hey! Schön von Dir zu hören und danke für das Mögen und das Nominieren des Blogs. Ich find es übrigens ganz interessant, dass Ihr den Beitrag in Teilen lest oder nur das, was Euch interessiert oder Ihr schaffen könnt. Das gefällt mir.

      Ich hab bei Dir geschaut, was das für ein Award ist und dabei hab ich gesehen, dass Du was zum Nicht-Mutter-Sein geschrieben hast. Das interessiert mich, ich würde es gern lesen, leider bin ich beim Draufklicken immer wieder auf der Mistery Award-Seite gelandet. Vielleicht stimmt irgendwas bei dem Link nicht? Zum Award selbst: Ich weiß nicht, ob da mitmachen mag oder kann, ich tu mich immer etwas schwer mit sowas. Ich wollte eigentlich immer schon mal über die Awards und Likes und all sowas schreiben, aber es ist ein sehr heikles Thema, so dass ich immer wieder davor ausgebüxt bin! Ich glaube also eher nicht, dass ich da mitmach, aber würde es trotz allem noch auf kleiner Flamme in meinem Hirn vor sich her brodeln lassen, vielleicht finde ich ja doch einen interessanten Blickwinkel.

      Zum Beitrag selbst: Ich bin gespannt, was Du dazu zu sagen hast! Mir persönlich ist es schwer gefallen so deutlich zu sein, aber ich finde es ist nötig. In diesem speziellen Fall hab ich be- und geurteilt. Bewußt und ganz klar. Weil wir eben unsere Geschichte haben, weil wir deshalb verpflichtet sind gegen diesen Alltagsrassismus der in den letzten Jahren immer höher gekocht ist, noch entschlossener vorzugehen als alle anderen. Und weil ich nicht glaube, dass wirklich jeder verstanden hat, was die afd ist und macht. Ich hab wirklich Angst um unseren Rechtsstaat, man muss nur nach amerika schauen, dann sieht man, wie eine Handvoll Menschen ein halbes Jahrhundert Geschichte ausmerzt und jeden erkämpften Fortschritt seit dem Civil Rights Movement rückgängig macht. Ganz legal. Mit Gesetzen. All die Checks and Balances sind null wert, wenn die sich nicht an die Spielregeln halten und die Macht haben sie zu unterlaufen. In amerika läuft gerade eine Revolution. Klammheimlich. Eine Minderheit stiehlt der Mehrheit das Land. Mit jedem neuen Gesetzerlass werden die andersdenkenden und andersaussehenden Menschen in amerika ein Stückchen ungeschützter. So langsam wachen die Leute auf und merken, dass es um viel mehr geht als nur ein Arschloch als Präsident zu haben. Ich hoffe für sie, es ist noch nicht zu spät. Und nun sind die gleichen Kräfte in Deutschland einen Schritt näher dahin gekommen, wo sie das Gleiche tun können. Ich will nicht verlieren, was wir haben und ich will nicht zurück in die Vergangenheit.

      LG

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  4. Das spannende an Deinen Beiträge ist ja, dass sie so gehaltvoll sind! Da kann man nicht einfach drüber weg lesen. Ich möchte mir da Zeit lassen, deshalb kommen Kommentare von mir auch gerne zeitversetzt.
    Außerdem mag ich es, wie Du das alles immer auf den Punkt bringst. Ich würde es nicht schaffen, mich so auszudrücken. Danke dafür.

    Wegen des Awards musst Du Dir keinen Kopf machen. Das ist ein Gefühl, und wenn es für Dich nicht passt, dann ist es richtig!

    Danke für den Hinweis bezüglich des Links. Das werde ich gleich mal ändern! Wo mir der Post doch echt wichtig ist – aber so einen umfangreichen Beitrag mit Verlinkungen hatte ich auch schon lange nicht mehr…. da geht dann mal was durch. Also, wenn Du später magst, wird Dich der Link zu dem Post führen.

    Herzliche Grüße von
    Barbara

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    1. Danke, hab Deinen Nicht-Mutter-Beitrag grad gelesen. Man merkt, dass da immer noch ganz viel Zorn und Enttäuschung in Dir steckt. Und so viel Verletzung. Ich glaub das hat heute gar nicht mehr so viel mit dem Mutter-Ding zu tun, sondern mehr damit, dass Du nicht gesehen wirst/wurdest? Mit Erwartungen und Unsensibilität?

      Ich hab auch keine Kinder, aber weil ich keine wollte und will. Weil ich glaube, meine Aufgabe liegt woanders. Und vor allem, weil ich keine schlechte Mutter sein will und wenn ich keine Mutter sein will, wie kann ich dann eine gute sein? Ich hab selber so viel noch ungetanes, unerledigtes in mir und das Gefühl ich will das nicht wegdrücken, weil ich will nicht irgendwann jemand sein, der was bereut und dann andere dafür büßen lässt.

      Weißt Du, was manchmal gut ist? Einfach richtig sauer sein, ohne die Schere im Kopf, dass man ja auch „gerecht“ sein soll anderen gegenüber. Manchmal muss man dem Zorn einfach seinen Raum geben und ohne das kann man auch nicht loslassen, weil der Zorn in einem ja immer noch aktuell ist, da er nie ausgelebt werden konnte. Und das, obwohl er legitim ist.

      Und wie schön -wenn auch sicher anstrengend- mit der Milchwirtschaft. Ich glaube, das öffnet Räume, wenn man eine Aufgabe hat, die so unmittelbar ist (oh Mann, was ein verquerer Satz!).

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