Ok. Heute wird es sehr theoretisch. Ich hoffe, ich kann das, worüber ich gesten abend nachgedacht hab, gut genug beschreiben, so dass Ihr mir folgen wollt auf diesem verschlungenen, doch für mich faszinierenden Gedankenweg. Neulich hab ich gelesen, dass jemand, um die Absurdität einer Frage zu untersteichen, folgendes Beispiel gewählt hat: „Woher wir das wissen? Da kannst Du genauso gut fragen, woher wissen wir, dass 2+2=4 sind? Weil es eben so ist!“. Als wäre diese Gleichung eine objektive und vor allem prinzipielle Wahrheit. Meines Erachtens eigentlich ein Eigentor, denn natürlich wissen wir in Wahrheit überhaupt nicht, dass 2+2=4 ist. Und in Wahrheit ist es auch gar nicht vier. Oder besser gesagt: Nicht nur.
Wir als Menschheit haben uns darauf geeinigt, dass das so ist, aber genauso gut könnte es heißen: grün+grün=Hühnchen oder Abba+Wrestling=7. So ist das mit allen Dingen. Nahezu alles, was wir wissen, denken und tun ist keine reale, objektive Wahrheit. Zumindest nicht, wenn man als Kriterium dafür, dass etwas objektiv real ist, nimmt, dass es losgelöst von uns Menschen besteht und die gleiche Bedeutung hat, wie die, die wir ihr geben. Nein, fast alles, was um uns ist, was wir sind, sind Ideen, die nur Bestand haben, solange wir es zulassen. Man könnte ja nun auch hergehen und prinzipiell denken:Nun, wenn die Zahlen erdacht sind, ist Mathematik generell ja vielleicht etwas, das es überhaupt gar nicht in echt gibt. Etwas, das wir als zwischenmenschliches Übersetzungsmittel erfunden haben. Und sollten wir aussterben, dann gibt es auch keine Mathematik mehr. Das trifft zu für die mathematische Begrifflichkeit, aber ich glaube nicht, dass es für die Mathematik an sich so ist? Nun bin ich kein Mathematiker, Chemiker oder Physiker, aber ich glaube, man kann aus der Natur, aus dem molekularen Wesen der Dinge ableiten, dass etwas aus Komponenten besteht, ja bestehen muss? Nicht nur, weil wir es sehen und zählen können, sondern weil es unabdingbar und folgerichtig ist. Und wenn etwas aus mehreren Komponenten besteht, die zusammen etwas anderes ergeben, dann ist das ja irgendwie schon das Grundprinzip von Mathematik, oder?
Und dann wäre es wahr zu sagen, dass es sowas wie eine objektive, reale Folgerichtigkeit gibt (und 2+2=4 ist ja nix anderes, als eine Folgerichtigkeit). Das wiederum würde bedeuten, dass Mathematik nicht erfunden wäre, sondern eine Abbildung eines real bestehenden Prinzips. Eines Prinzips, das nicht von uns erdacht und erschaffen wurde. Eine echte, universelle Wahrheit, die außerhalb von uns Bestand hat! Ihr denkt jetzt sicher: Aber logisch ist es das, was faselt die da! Wenn ich einen Pfannekuchen hab und noch einen dazu krieg, dann hab ich mehr. Das ist doch klar! Aber das Prinzip von „mehr“ ist ja nur was, was wir so nennen. Wir könnten genausogut sagen: Wenn ich ein Bonbon hab und noch welche dazu bekomme, dann ist das weniger. Und das wäre nicht falscher oder richtiger als zu sagen, „es ist mehr“. Das sind nur Begrifflichkeiten. Oder wir könnten zum Beispiel alles „verkehrt herum“ machen: Wenn etwas dazu kommt, vermindert das den Wert/die Zahl und wenn was weggenommen wird, vermehrt es sie. Da kommt uns komisch vor, weil wir es nicht gewohnt sind. Aber, wenn es normal wäre, wir das so gelernt hätten, würden wir uns gar nix dabei denken und würden auch nicht die Logik oder den Sinn hinterfragen. Und wenn „mehr“ oder „weniger“ kein von uns Menschen unabhängiges Prinzip ist, dann ist es auch keine reale, objektive Wahrheit, sondern eine Wahl. Eine Idee. Wir bewerten und beschreiben etwas, das wir sehen.
Aber ich denke von und in der Natur kann man Prinzipien ableiten, die eine generelle Gültigkeit haben. Die Bestand haben über unsere eigene Begrifflichkeit und unser Verständnis hinaus. Und diese physikalischen Folgerichtigkeiten sind wahrscheinlich sogar die einzige gültige und objektive Realität und Wahrheit, die es im Universum gibt? Die losgelöst von uns selbst, sozusagen außerhalb unseres Gehirns existiert. Somit hatte dieser Mensch irgendwie vielleicht doch Recht mit seinem Beispiel, aber höchstwahrscheinlich auf eine ganz andere Art, als er es gemeint hat.
Was mich schon immer fasziniert und was ich eine schier unglaubliche Leistung finde, ist, dass wir es geschafft haben universal gültige Verabredungen zu treffen, die Zeit und Raum überbrücken. Ob Du nun in Hintertupfingen oder in Nimmerland bist, wir haben uns alle darauf verständigt, dass Norden Norden heißt und beim Kompass oben ist, dass es ein Periodensystem gibt und dass eins eins ist. Das finde ich total krass. Ich versteh immer gar nicht, wie alle das für normal halten, mir blästs total das Hirn weg, wenn ich darüber nachdenke. Das zeigt auch, dass wir sehr wohl in der Lage sind uns zu einigen – wenn uns das Objekt der Einigung emotional kalt läßt. Ok, vielleicht würden für „Südwesten statt Norden“ ein paar Geographen mit denen in den Ring steigen, die wollen, dass Norden „Honighaus“ heißt (oder so). Aber den Rest der Menschheit interessiert es null, wo Norden ist: Erklär mir wie der Kompass funzt und gut isses.
Dieser Gedanke, dass praktisch nichts von den, was wir tun, sehen und glauben wirklich unumstößlich real ist, lässt es ziemlich albern erscheinen, wenn einem jemand sagt: „Das ist so und basta“ oder „Du verhältst Dich falsch“ oder „Du hast Unrecht“. Wenn die Mode sich ändert, kann schon in 50 Jahren eine Minute nicht mehr aus 60 Sekunden bestehen, sondern aus 1 Tag. Wenn morgen ein Städtchen uns die gemeinschaftliche Begriffs-Kooperation aufkündigt und sagt:“Bei uns ist ab heute 1 nicht mehr 1, sondern 2. Und übrigens: 3 ist jetzt die neue 1″, dann kann niemnd sie daran hindern. Klar, die Gesellschaft hat sich gegen solch unerträgliche Aufmüpfigkeit geschützt – im Sinne aller, zwinker, zwinker (Ihr, die mich schon bissle länger lest, versteht vielleicht, warum ich beim Schreiben von „zwinker, zwinker“ einen totalen Lachflash bekommen hab. Das ist so un-ich, dass es für mich unglaublich komisch ist. Aber ich hatte Lust mich selber und meine eherne Ernsthaftigkeit und Leidenschaftlichkeit bissle auf den Arm zu nehmen. Aber weiter im Text) – indem sie Gesetze erlassen hat, so dass zum Beispiel nur die zugelassenen Maßeinheiten gelehrt und verkauft werden können. Aber solange das Städtchen sich daran hält und doppelgleisig fährst, kann für die 1+1=4 sein – und zwar ohne dass jemand ernsthaft nachweisen kann, dass das falsch ist. Genial, oder? Ich mein, all die Menschen, die sich so sicher sind, sie wissen genau wie und wo der Hase hoppelt und im Endeffekt ist das nicht mehr als eine Illusion. Unsere ganze Weltordnung funktioniert nur, so lange wir daran glauben und alle mitmachen. Es so zu betrachten macht einen etwas schwindelig, als würde plötzlich der Boden unter den Füßen wackeln, aber es erschließt uns/zumindest mir auch eine ganz andere Dimension von Freiheit und Sicherheit.
P.S. Ich bin sicher, ich hab etwas, was für Naturwissenschaftler wahrscheinlich ein alter Hut ist, mathematisch total schlecht ausgedrückt. Wenn jemand mathematisch ausdrücken kann in einem Kommentar, was ich so stümperhaft beschrieben hab, dann würde mich das total interessieren, denn ich hab mich dem ganzen von der Denkseite angenähert, nicht von der naturwissenschaftlichen. Und wie das so ist mit dem Philosophieren und Denken, kann es natürlich auch sein, dass ich diesen Gedankengang morgen schon wieder über den Haufen werfen muss, weil mir noch andere Dinge außerhalb der Naturgesetze einfallen, die auch losgelöst von uns Menschen bestehen und die nur eine einzige Interpretation zulassen und damit tatsächlich unumstößlich wahr sind. Aber dazu sind sie ja da, die Theorien, das ist ja der halbe Spaß daran: Zu hören, was andere meinen, schauen, ob der eigene Gedanke standhalten kann, neues zu integrieren oder letztendlich sich auch von ihnen zu verabschieden ohne deshalb böse zu sein oder sich schlecht oder dumm zu fühlen. Das Gehirn sich entfalten zu lassen und es ernst zu nehmen. Sich das zuzutrauen und zu getrauen.