Ok. Ich tu mich momentan schwer damit, was Sinnvolles zu schreiben. Die Welt um mich rum verstört mich täglich mehr. Ich fühle mich fremd in ihr. Sie ängstigt mich. Der Grund hierfür ist ein Gefühl, das ich habe, dass sich grundlegende Parameter verschoben und verändert haben. Dass es nicht nur die normalen Veränderungen sind, die Menschen und Gesellschaften eben so durchmachen, die mir zu schaffen machen, sondern dass ein wirklicher, innerer und irreparabler Zerfall der Gesellschaften und Menschen vor sich geht.
Der Lauf der Geschichte
Ich hab ja verschiedene Theorien über paar Sachen und eine Theorie ist, dass Geschichte sich wiederholt. Ja, nicht sehr originell, geb ich zu. Aber ich meine das etwas anders: Ich meine nicht nur, dass das menschliche Verhalten sich in der Geschichte wiederholt, weil Menschen eben nun mal … naja, Menschen sind, nein, ich meine damit einen tatsächlichen Zyklus, den Geschichte durchläuft. Wenn man mal zurückschaut, ist es ganz oft so, dass Menschen in Gesellschaften zusammenkommen, um was Gutes zu tun, sich zu stärken, etwas besser zu machen. Dann, wenn sie das grundlegend erreicht haben, verlieren sie den Impetus und das, was sie vorher geeint hat. Und nach und nach zerbröckelt die Gesellschaft und das Pendel schwingt in die andere Richtung. Freiheit wird zu Dekadenz, Recht wird zu Anspruch und so weiter. Und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Gesellschaft untergeht. Es ist, als würde die gesellschaftliche Menschheitsgeschichte fast wie ein Lebenszyklus immer wieder die gleichen Phasen wie ein Menschenleben durchlaufen: Geboren werden, Aufwachsen, Älter werden und letztendlich Zerfallen und Untergehen.
Und gerade fühle ich mich als würde Rom um mich herum brennen
Das Unlebbare Leben
Es fühlt sich an, als wären die inneren Grenzen in uns unwiderruflich verschoben worden. Mir kommt es vor, als sei ein Damm gebrochen. Das liegt zum Teil daran, dass ich durch den Radsport viele Twitteraccounts lese und mir die Augen geöffnet worden sind. Vor allem fällt es mir auf bei britischen und amerikanischen Leuten, die sich brüsten mit ihren Vorurteilen und die unglaublich verroht, brutal und aggressiv sind. Ich denke, ein Großteil davon ist nicht ihre Schuld, sondern das Mediengebilde, in dem sie leben. Wenn Du jeden Tag in den Zeitungen und Fernsehshows den letzten Dreck vorgesetzt kriegst, merkst Du irgendwann gar nicht mehr, wie krass das ist.
Aber wir sind auch nicht besser. Ja, wir haben noch Teile der Gesellschaft, die denken, ein Vorurteil zu haben ist was Schlechtes – aber wir werden immer weniger. Zeitungen und Fernsehprogramme halten noch leere Hüllen einer Moral hoch, die längst schon nicht mehr gelebt wird. Ich denke oft, manche Menschen in den 1920/25er Jahren müssen sich gefühlt haben wie ich. Aus allen Ecken scheinen Menschen zu kriechen, die hassen wollen. Die alte Ressentiments nun endlich voll ausleben wollen. Die verletzen wollen. Die nicht teilen wollen. Die gar nicht so sehr etwas haben wollen, sondern nur, dass andere es nicht haben, nicht bekommen. Aber das ist nur unsere eigene Schuld als Gesellschaft. In den letzten Jahrzehnten haben wir praktisch alles, was nicht in erster Linie dem Zweck des Geldverdienens dient, degradiert oder abgeschafft. Wir haben den Menschen, die Menschlichkeit, das Denken und Erschaffen für unnütz, unrentabel und somit ersetzbar erklärt. Wir sind nur noch Erfüllungsgehilfen, die dem Lebensunterhalt hinterher hecheln. Wir haben noch nie so viel freie Zeit gehabt und uns trotzdem so überarbeitet und ausgebrannt und benutzt gefühlt. Wer nichts verdient hat keine Daseinsberechtigung. So dass diesen Menschen oft nur noch die Bockigkeit und Aggression bleibt. Als sei der einzige Wert eines Menschen seine Arbeitskraft oder sein Beitrag zum Bruttosozialprodukt.
Aber wir sind und wir brauchen so viel mehr. Eine Gesellschaft ohne Wärme geht ein. Eine Gesellschaft ohne Rebellen frisst sich selber auf.
Unser Leben wird für uns selbst immer unlebbarer, immer weniger unseres. Es fühlt sich fremd und kalt an. Die Regeln, die bisher gegolten haben: Dass jeder Mensch ein Recht darauf hat unversehrt zu leben, dass unsere Gedanken frei sind, gelten plötzlich nicht mehr mit letzter Konsequenz. Und das macht mir Angst.
Jammern und Zitieren
Ich will hier nachher mit Zitaten von Adalbert Stifter schließen. Adalbert und ich haben eine holprige Beziehung. Sehr holprig. Ich find ihn manchmal genial und manchmal feige. Manchmal unerträglich platt und manchmal gänsehautmachend archaisch. Manchmal bieder und manchmal laserscharf. Ich glaube, dass ich so ambivalent ihm gegenüber bin, das liegt daran, dass wir uns sehr ähnlich sind/waren (wie sagt man das denn, wenn ein Part schon tot ist?!?). Warum der gute Adalbert hier überhaupt auftaucht, das kam so: Ich hab mich schwer getan, was zu schreiben, weil ich eben grad ziemlich mitgenommen bin von meiner Mitwelt. Wenn ich Sachen les wie: “Mann schmeißt Kind aus Fenster” oder die Sache mit dem Piraten-Politiker oder daran denke, wie viele Menschen in Amerika erschossen werden und, und, und – dann nimmt mich das sehr mit.