Abgeschaut-wie Rocko zu Spongebob wurde

Ok. Heute hab ich was, das mir aufgefallen ist und das ich ziemlich krass find. Ich weiß nicht, wer von Euch die Zeichentrickserie „Rocko’s modern life“(in Deutschland „Rocko’s modernes Leben“) kennt. Der Erfinder von Rocko ist Joe Murray und das ganze ist eine Nickelodeonserie aus den 90’ern.

Halt mal, da stimmt doch was nicht
Die Sage geht so, dass Joe Murray den „Spongebob“-Erfinder Stephen Hillenburg zum „Rocko“-Team dazu geholt hat. Und irgendwann hat sich dieser „kreative“ Tausendsassa dann mit Spongebob was eigenes ausgedacht und das mit vielen Mitarbeitern von der ursprünglichen Rocko-Crew umgesetzt. Und da er nu mal bei Nickelodon durch Murray schon einen Fuß drin hatte, war es ja nur logisch, Spongebob diesem Sender anzubieten. Aber irgendwas ist komisch. Denn irgendwas kommt mir so bekannt vor an Spongebob…. Ja, klar, das ist es, wollen die mich für doof verkaufen? „Spongebob“ ist nichts anderes als „Rocko“! Wie krass!

Probe auf’s Exempel:
• Spongebob/Rocko: Der naive, liebenswürdige Trottel-Held, der die Welt ganz eigen sieht
• Patrick/Heffer:
Der dumme beste Freund, der nie erwachsen wird und Rocko/Spongebob schamlos ausnutzt, wie es pure Egoisten eben tun
• Thaddeus/Mr.Bighead:
Der griesgrämige Nachbar, das Gegenkonzept zu unserem Held, praktisch ein Gegenspieler
• Haustiere, die auf y enden:
Beide Tiere haben ein eigenes Haustier mit Spunky und Gary

Ok, das mit dem „auf y enden“ ist vielleicht nicht so stichhaltig. Es gibt noch weitere ähnliche Figuren, so hat auch Mr.Crabs seinen Gegenpart im Comicladenbesitzer. Aber natürlich ist Rocko nicht nur weitaus erwachsener, mit seiner unerfüllten Liebe zur Briefträgerin Sheila, seinen Sorgen um Miete und Autoreperaturen, sondern Rocko war tatsächlich auch künstlerisch ernst gemeint (die Wacky-Delhi Folgen sind so genial! Und die Interviews mit Murray sind faszinierend). Während Rocko lief, hatte die Serie oft mit Kritik zu kämpfen, dass sie zu wenig kindlich und zu kritisch/philosophisch/krass ist.

Aber letztendlich ist das Hauptschema, die Kern-Dynamik, die das Ganze am laufen hält, eins zu eins identisch in beiden Serien: Du lässt eine Figur überzogen kindlich, unfähig und nett sein, so dass er all die Sachen tun und sagen kann, die der gesunde, kritische Menschenverstand uns nicht mehr sagen lässt, was ihn dann charmant liebenswert macht und ihn weit genug von uns entfernt, damit wir so tun können, als würden wir keine Gesellschaftsstire sehen. Wenn ich die Ähnlichkeit mit Rocko/Spongebob sehen kann, dann können wir uns getrost sicher sein, dass andere das auch konnten, speziell Joe Murray und all die Menschen, die die beiden Serien gemacht haben. Stellt Euch vor, wie sich Murray gefühlt haben muss, als alle so Spongebob-geil waren. Krass, gell?


Was ist Originalität überhaupt?
Ist also Rocko der originale Spongebob? Ich denke ja oft über Originalität nach und bin mir manchmal unsicher, ob es das überhaupt gibt? Denn letztendlich wird alles, was wir wahrnehmen, irgendwie seinen Weg in unsere Kunst, Gedanken, Gefühle und Werke finden und somit ist eigentlich keiner von uns originell, oder? Wir alle basieren auf denen, die vor uns kamen. Ist irgendwas, was wir machen denn wirklich ausschließlich von uns? Wenn ich ein Bild anschau, mir das gefällt und ich denke, dass ich sowas auch malen will, ist das Ergebnis davon dann mein Bild, das inspiriert wurde von einem anderen Bild oder hab ich nur geklaut?

Menschen sagen mir, ich hätte immer einen anderen Blickwinkel auf Dinge und das wäre erfrischend und anregend. Woher kommt das, dass ich was anderes sehe, zu anderen Schlüssen komme? Und wenn das erfrischend ist, heißt das, wir brauchen Originalität, um weiterzukommen, uns weiterzuentwickeln? Brauchen wir manchmal eine Auswahl an ganz vielen Möglichkeiten, um zu unseren eigenen Möglichkeiten zu finden? Und ist dann genau diese eigene Möglichkeit das, was wir dann Originalität nennen? Somit wäre Originalität gar nichts, was wir individuell erreichen, sondern immer eine Gemeinschaftsarbeit. Das würde bedeuten Originalität braucht andere. Ich hab dazu ein persönliches Beispiel: Meine absolute Lieblings-Fersehserien-Folge ist „Objects in space“ aus der Serie „Firefly“. Und der Kommentar zu dieser Folge, bei dem es viel um Sartre und Existenzialismus geht, hat mir ermöglicht an was zu glauben, mich Dinge zu getrauen, die ich sonst vielleicht mich nie getraut hätte. Manchmal braucht es jemand anderen, der an was glaubt, der eine Vision hat, sich was getraut, damit man sich selber ernst nimmt.

Ich hab eine ganze Weile damit gerungen, was für mich ok ist und was nicht und hab für mich persönlich folgende Definition und Grenzen gefunden: Wenn mich was inspiriert, mir Appetit macht oder neue Wege aufzeigt, dann ist das genau das, was Kunst, Kreativität und Schaffen tun soll. Der künstlerische oder der kreative Prozess ist im Endeffekt ein Umwandlungs-, ein Recyclingprozess. Der Erschaffer wandelt das, was er sieht, fühlt, fürchtet und denkt in etwas um, das dies ausdrückt, ihn mit der Umwelt verbindet und ihm letztendlich hilft damit umzugehen. Sich davon antreiben und beeinflussen zu lassen, was uns umgibt, was uns berührt, ist somit nicht nur total ok, es ist notwendig. Und trotz alledem ist es ja mein eigener Blickwinkel, mein eigenes Können, meine eigene Aussage, die ich dann, auf der Basis von dem, was ich gesehen habe, entwickele.

Was nicht ok ist, ist wenn einer ein Bild kopiert, dann noch ein zusätzliches Detail einbaut und dann sagt „Ja, es ist aber nicht gaaanz genau gleich, also ist es nicht abgekupfert“. Wenn einer zum Beispiel einen Blumenstrauß tupfengleich einfach abmalt und dann noch eine Blume mehr dazu malt, dann ist das nichts, was er original erschaffen hat. Der Unterschied liegt für mich in der geleisteten „Arbeit“, wie ich in meinen Kunstgedanken ja schon mal geschrieben hab: Immer, wenn Du Dich aktiv mit was beschäftigst und daraus dann was entsteht, ist es originell. Wenn dem nicht so ist, ist es ein Plagiat. Denn derjenige, in dem Beispiel mit dem Blumenstrauß hat sich nicht mit dem Bild beschäftigt, sondern nur mit der Frage, wie er am geschicktesten tricksen kann.


Doppelt schlimm
Ok, „Spongebob“ hat sich im Lauf der Jahre weiter entwickelt und neue Facetten, Charaktere, Storybögen entwickelt, so dass es jetzt vielleicht nicht mehr 1:1 „Rocko“ ist, aber die kreative Kernidee war „Rocko“ und von daher ist es für mich abgekupfert. Wie gesagt, frag ich mich, wie Joe Murray sich gefühlt hat? Das muss doch eine echt schlimme Erfahrung sein? Deine eigene Serie wird abgesetzt und die Leute, die da mitgearbeitet haben, klauen die Idee, machen sie kommerziell und werden zu gefeierten „kreativen“ Stars. Ob er sich verraten gefühlt hat oder ob er achselzuckend gesagt hat, dass das halt das abgefuckte Filmgeschäft ist und vielleicht hat er sich ja selbst auch schon woanders bedient? Eine interessante Frage ist auch, ob ich das Klauen in diesem Fall so krass finde, weil Spongebob so charakterlos und so erfolgreich war und ob ich es weniger schlimm fände, wenn Spongebob nicht über die erste Staffel rausgekommen wäre oder zumindest etwas Charakter hätte?

Es erscheint mir doppelt ungerecht, dass jemand solchen Erfolg mit dem stumpfen Abkupfern und dem Konzept hat, nur ja keine Wellen zu machen. Denn der Unterschied zwischen Rocko und Spongebob ist der, dass die Figuren in Rocko eine Botschaft, einen Charakter haben. Sie sind real, sie gehen manchmal dahin, wo es weh tut, sie scheitern und sie leiden unter diesem Scheitern unter ihren Eigenschaften. Sie haben Macken, wie wir sie haben. Rocko versucht, wie jeder, sich in seiner Welt zurecht zu finden, er kämpft damit sich in seine Umwelt einzupassen, seinen Platz zu finden, glücklich zu sein. Während bei Spongebob die Charaktere so eindimensional, so überzeichnet sind, dass wir sie wirklich nicht mehr ernst nehmen müssen. Es ist tatsächlich pure Unterhaltung ohne Inhalt, ohne Lehre, voller Leere. Spongebob hat keinerlei Ambitionen, außer zu gefallen und immer schön auf der geraden, sicheren Linie zu gehen.

Der uralte Krieg
Kurz gesagt: Wahrscheinlich ist, dass wir hier zwei alte Rivalen und Duellanten haben, die sich mal wieder gegenüber stehen: Kommerz und Kunst. Und  wie so oft hat der Kommerz, gewonnen. Das fände ich ja gar nicht so schlimm. Wenn Spongebob zumindest irgendwie Charakter hätte und nicht nur eine Formel wäre. Denn: Klar mag ich Spongebob. Irgendwie. Aber was mich schon immer gestört hat daran, ist, dass es auf so simplen Formeln beruht und die werden ein ums andere Mal gnadenlos und stumpf abgenudelt. 

Man könnte ja nu auch denken, Murray wurde sicherlich auch von irgendwas inspiriert, warum ist das dann nicht auch ok für Hillenburg? Für mich liegt der Unterschied darin, dass Hillenburg für Rocko Regie geführt hat. Und wenn Du dann eine Serie entwickelst, die die gleiche Dynamik nutzt, dann ist das mehr als sich inspirieren zu lassen.

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