Der Brunnen geht zum Krug und räuspert sich

Ok. Ich hab ein paar lose Gedanken zu Kreativität und zu meinem Schreiben und Denken. Wenn Ihr schon was von mir gelesen habt, wisst Ihr, dass ich Worte liebe. Gar nicht so sehr die Sprache. Natürlich auch die Sprache, notgedrungen, aber vor allem Worte. Ich spiele mit ihnen, ich male sie, ich leere sie aus. In meinem Kopfuniversum gibt für jeden Satz, für jedes Wort, jede Satzwortkombination ein Zuhause. Ich weiß genau, wie sich ein Satz oder ein Wort oder ein Gedanke anhören muss. Aber ich treffe natürlich nicht immer das Ziel.

Ich denke, dass liegt auch an meiner Intention: Mir ist es wichtig intuitiv und akut zu schreiben. Ich versuche ganz nah an der Ehrlichkeit zu sein und so viel von mir preiszugeben, wie möglich, wie ich aushalten kann. Keine Lagen zwischen mir und dem Geschriebenen zu haben. Dafür nehme ich in Kauf, dass es den Worten vielleicht an Schönheit mangelt und meine Stücke etwas zu lang sind. Während Gustave Flaubert verzweifelt und verbissen an jedem Wort gefeilt, gehämmert und geschliffen hat, bin ich mehr der ursprüngliche George Sand-Typ, der auf die Emotionen, das Gewissen, das Denken vertraut. Ich glaube daran, dass ein guter, wahrer Inhalt automatisch eine gute Form nach sich zieht. Das ist für mich eine Folgerichtigkeit, ein physikalisches Gesetz: Wenn Du weißt, was Du sagen willst, wenn Du es ehrlich und klar fühlst und siehst, dann weißt Du intuitiv genau, wie es gesagt werden muss. Ich überlasse dem Inhalt die Führung. Worte und ich haben folgenden Deal: Ich bin ehrlich und nehme sie ernst und sie tanzen für mich und fallen in Reih und Glied.

Ich schreibe ganz viele Sätze und Worte, die glaub ich ganz gut oder ok sind – aber nicht schön, geschweige denn perfekt. Ich glaube, das ist normal. Oft nähere ich mich Themen mehrfach an, beschreibe sie von unterschiedlichen Blickwinkeln, in unterschiedlichen Aggregatzuständen und mit jeder Annäherung bekomme ich sie besser in den Griff. Und dann, wie ein Wunder, fallen ab und zu die Bauteile in die perfekte Form und ich hab einen Satz, ein Wort, einen Gedanken, der perfekt ist. Rund und glatt wie eine glänzende, kühle Murmel.

imageDiese -für mich – perfekten Sätze haben eben diese Folgerichtigkeit. Sie hinterlassen keinerlei Zweifel, sie sind, wie sie sein müssen. Dies ist ihre Natur. Wie das berühmte „Bild, das Dir mit den Augen folgt“. Es schaut Dich immer direkt an. So ist es mit diesen Sätzen. Ich weiß: So muss der Satz sein und nicht anderster. So ist es richtig.

Schreiben ist ein Prozess, der – obwohl ich es alleine tue – nicht immer von mir alleine ausgeführt wird. Wie bereits beschrieben, ist es manchmal so, dass die Worte die Führung übernehmen, manchmal ich und manchmal auch der Inhalt. Wenn der Inhalt die Gedanken führt, schreibe ich ohne abzusetzen, ohne überlegen zu müssen. Der Gedanke „Erwartungen“ ist so entstanden. Ich habe nicht mal 5 Minuten dafür gebraucht und aus irgendeinem Grund bin ich sehr stolz auf ihn. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich bewußt nachdenke, während dieser Art des Schreibens. Es ist, als wäre das Stück schon fertig geschrieben irgendwo in mir. Vielleicht liegt der Grund dafür in folgendem Delta, in folgender Übersetzung, Überführung: Ich empfinde und beschreibe meine Kreativität oft als Brunnen, in den ich hinabsteig und aus dem ich den Inhalt schöpfe. Und ein Brunnen hat immer eine Quelle, einen Ursprung. Und ein Brunnen ist etwas, in dem das Wasser sich sammelt und in dem es schon steht, arbeitet, sich leise hin und her bewegt. So sind vielleicht diese Stücke, die schon fertig in mir sind, ohne mein aktives Wissen, unbewußt in diesem Brunnen entstanden?

Und manchmal ist es so, dass der Brunnen sich erst wieder füllen, von der Quelle speisen muss, bevor ich wieder in ihn hinabsteigen kann. Was ich merke, ist, dass ich manchmal einen merkwürdigen Widerwillen hab kreativ zu sein. Mich einzulassen. In die Tiefe zu gehen. Und das, obwohl eigentlich kein Tag vergeht, an dem ich nicht male oder schreibe. Aber ich hab diese Zeiten, in denen ich diesen Aber hab mich auf was einzulassen. Das Gefühl ist fast schon sowas wie Zorn oder Trotz. Eine zorntrotzige Ungeduld: Ich sehe das Gesamtkonstrukt eines Gedanken oder einer Argumentation innerlich vor mir, ich kann sogar aufmalen, so wie ein Architekt den Plan eines Hauses zeichnet, welches Argument aus welchem Grund erwächst, wie das ganze Konstrukt aufgebaut ist, wie was zu wem in Relation steht, sich verhält und bin gleichzeitig aber irgendwie zu ungeduldig, zu unwillig, zu unfähig, das alles von innen nach außen zu übersetzen. Weil ich weiß, dass ich Millionen Sätze bräuchte, um genau das zu beschreiben, was ich so folgerichtig in meinem Geiste vor mir sehe und was sich mir durch Beobachtung und Wissen erschlossen hat. Das nervt! Dann wünsche ich mir sehnlichst und mit Herzschmerz, ich könnte andere sehen lassen, was ich denke, weil ich weiß, dass ich nie in der Lage sein werde das gesamte, differenzierte und doch so schlüssige, natürliche Konstrukt, das ich in meinem Geist vor mir sehe, ohne Reibungsverlust von innen nach außen zu übersetzen. Und das entnervt mich auf eine ganz merkwürdige zornige Art und Weise. Mit einem Gefühl, das ich so bei nix anderem hab.


Und dann, als wäre der Sturm über Nacht vorbeigezogen und der Himmel wieder wolkenfrei und sonnig (und das mir, die ich ja den Regen so liebe!), hab ich plötzlich eine milde Engelsgeduld, kann ich plötzlich den Fadenanfang des Konstrukts greifen und das ganze Wollknäuel ohne Probleme aufrollen und kann plötzlich das in Worten erklären, was ich davor nur denken und fühlen, aber nach außen maximal stammeln konnte. Das alles passiert, ohne, dass ich das bewußt steuere oder denke oder beschließe. Ich kann da auch wirklich nur begrenzt Einfluß drauf nehmen. Das ist anscheinend einfach die Art, wie ich kreativ bin.

Eines der stärksten Erlebnisse dieser Art hatte ich, als ich plötzlich an einem Sonntagnachmittag Papier, Stifte, Schere und meine Videokamera vorgekramt hab und an einem x-beliebigem Sonntagnachmittag um 17h plötzlich einen Comic gemalt und gefilmt hab. Einfach so. Hatte ich noch nie vorher gemacht und ich hatte das auch nicht vorher beschlossen, geplant oder auch nur drüber nachgedacht, was ich machen will. Noch 10 Minuten bevor ich angefangen hab, wusste ich nicht, dass ich gleich einen Cartoon machen werde. Ich schwör! Das alles war irgendwie schon fertig in mir. Dieses Erlebnis erfüllt mich noch heute mit einem Gefühl der Ehrfurcht. Ich glaube, das war auch das erste Mal, das ich meine Kreativität ernst genommen hab und mich selber aus einem anderen Blickwinkel betrachtet hab, was das Erschaffen von irgendwas anbelangt.

Und eine besonders schöne Erfahrung, die ich machen durfte, ist, wieviel besser mein Schreiben und Malen geworden ist durch den Blog hier. Vor allem durch die Übung, aber auch durch Feedback und dadurch, dass ich mein Geschreibsel aus dem Blickwinkel von anderen betrachte und mir Gedanken darüber mach, was ich will, was ich sagen will und was mir wichtig ist. Für diese Erfahrung bin ich so dankbar! Nu gut, das waren also ein paar meiner durcheinandrige Gedanken und Gefühle zum Thema Kreativität.

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