Ein Lebkuchen ist auch nur ein Mensch

Ok. Ich hab eigentlich kein Problem für mich einzustehen.
Außer in den Situationen, in denen der leiseste kritische Lufthauch mich umwehen kann. Diese Dualität fasziniert mich und zieht sich durch mein ganzes Seelenleben, ich bin sozusagen dazu verdonnert immer beide Seiten der Medaillen zu sehen und bin ganz oft das eine – aber auch das andere:

Selbstbewußt und sehr empfindlich
großherzig und keinherzig
Augen weit aufgerissen, alles sehend
dauerblind für manche Flecken


Ich bin/hab sozusagen ein inneres perpetuum mobile. Und das war schon mein ganzes Leben so. Früher hat mich das oft verzweifelt gemacht, ich wollte nicht so kompliziert sein. Ganz oft war ich zwar ganz nah dran an dem, wie alle waren – aber eben doch ein klitzekleines bisschen anders. Wie eine Müslipackung, in der Cornflakes sind. Cornflakes sind ja ok, aber wenn Du eine Müslipackung öffnest, willst und erwartest Du eben Müsli. Da sind wir wieder bei meinem guten, alten Sparringspartner, den Erwartungen.

Als ich noch jünger war, hat mich das oft tief und bitterlich verletzt:

Einerseits wollte ich so sein, dass andere mich mögen, so wie es von mir erwartet wird
Andererseits KONNTE ich einfach das etwas in mir, das ich dafür hätte aufgeben müssen, nicht aufgeben

➕ Gefangen zwischen diesen zwei Polen ➖
War ich ne ganze Zeit lang.Eine Zeitlang versuchte ich mich selber abzuschalten. Ich dachte, andere machen das sicher auch so. Man ist in Wahrheit das eine, scheint aber nach außen das andere zu sein.

Das Ergebnis war herzzerreißend. Mein Herz zerreißend.

Es hat mich unglaublich Energie gekostet zu lächeln, wenn ich mit den Augen rollen wollte. Zuzuhören, wenn ich schon lang das Interesse verloren hatte.

Das Leben wurde zäh. Und verzweifelt. Diese bestimmte Art von „so tun als ob“ ist heute eines der schlimmsten Gefühle, das ich mir vorstellen kann. Es raubt mir die Luft zum Leben. Wie ein staubiger, verlassener leerer Raum, diesige, abgestandene Luft, orangene Vorhänge aus den 70er Jahren, ausgebleichte Fetzen der Tapete hängen am letzten Zipfel an der Wand, bis schließlich der letzte Halt reißt und sie langsam und unbedeutend zu Boden trudeln. Dort wirbeln sie kurzzeitig den Staub auf, bis jedes Körnchen an seinen Platz zurückkehrt und sich mit strafendem Blick wieder niederlässt und zurück in den Dornröschenschlaf gleitet. Und schon ist wieder alles so wie es immer war und immer sein wird. Ersticktes, verdorrtes Sein, begraben unter Tonnen von Jahren, schielende Blicke, die von der Seite taxierend prüfen, ob auch ja alles rechtschaffen ist. Kalter Stahl, darunter geifernde Hitze, schweifender Blick nach schwarzen Schafen, nach dem, der anders ist, das Volk verlangt Blut. Geopfert muss werden, bevor die Langeweile die Realität aufdeckt. So war es schon immer, wird es immer sein. Erbarmungslose Jagd, einer muss weichen, damit viele sich nicht bewegen müssen.

Oh.Das kam jetzt gänzlich unerwartet.

Hatte nicht vor das zu schreiben, hatte es nicht gedacht, bis zu dem Moment, in dem ich die Worte schrieb. Es gibt eine tolle Southpark-Folge zu diesem Thema: Britney Spears wird darin geopfert, damit die Maisernte gut ausfällt. Müsst Ihr Euch anschauen, ist seelenerschütternd real und traurig lustig. Ich werde das eben Geschriebene nicht noch einmal durchlesen oder korrigieren, ich lass es genau so stehen, wie es aus mir geflossen ist.

2 Kommentare

  1. puzzleblume sagt:

    Diese in unterschiedlichen Fliessgeschwindigkeit fortlaufenden Prozesse als Abenteuer im eigenen Interesse statt in Auftrag und Dienst der wünschenden Anderen empfinden zu können, bedeutet viel.

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    1. Ja! Wobei man sich im klaren sein muss, dass alles einen Preis hat: Während ich nach innen schau, kann ich nicht mit der selben Intensität nach außen schauen. Und umgekehrt. Jede Entscheidung ist auch irgendwie ein Verlust, nicht nur ein Gewinn, auch wenn wir den Gewinn natürlich im Fokus haben (siehste, hast mich schon wieder zum nachdenken gebracht, glaub da schreib ich nachher was drüber: Dass Menschen fast nur was machen, wenn sie einen Gewinn davon haben, selbst wenn es ein negativer Gewinn ist). Ich seh so viele Menschen, die permanent unglücklich und unzufrieden sind, aber nichts echtes dagegen unternehmen, weil sie tief drin die Konsequenzen fürchten. Sie fürchten den Verlust des Vertrauten, Bekannten – obwohl es sie unglücklich macht. Ich versteh das. Das ist nicht für jeden. Frei(er) sein ist nicht für jeden. Manche brauchen das Gefühl von Wänden um sich rum, um sich sicher zu fühlen. Das ist ok. Problematisch ist nur:Wenn sie damit nur sich selbst unglücklich machen würden, wäre es ja auch nur deren Sache. Leider lassen sie das aber oft auch an der Umwelt aus und dann betrifft es alle. Unsere heutige Gesellschaft krankt sehr an diesem passiv/aggressiven Verhalten.

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