Vier Frauenvorbilder

Ok. Als ich noch jung war, nun, zumindest jünger als jetzt, hab ich in einer Phase meines Lebens ein großes Verlangen und Bedürfnis nach anderen Frauenbildern gehabt, als die, die ich in meinem realen Leben zur Verfügung hatte. Oft orientiert man sich an den Menschen, die man im Leben um sich hat und übernimmt deren Position und Verhaltensmuster, auch wenn wir das meist nicht wahrhaben wollen.

Ich hatte die meiner Mutter zu einhundert Prozent übernommen. Und war sehr, sehr unglücklich damit. Da es in meiner Natur liegt, nach dem Glück zu streben, hab ich an einem Punkt in meinem Leben versucht diese Verhaltensmuster zu ändern. Etwas zu sein, zu finden, das mir entspricht. Ein Bild zu finden, aus dem ich nicht ständig rauspurzel. Denn das, was mir die Welt angeboten hat, war viel zu eng für mich. Viel zu erdrückend. Ich bin ständig zu viel oder zu wenig gewesen. Aber nie genau richtig. Darunter hab ich sehr gelitten. Und dabei wusste ich ganz genau, mit einer absoluten Sicherheit, die mich heute noch umhaut, dass das nicht an mir lag, sondern daran, dass die Erwartungen, die ich und andere an mich hatten, einfach nicht zu mir passten.

Veränderung

Wenn man das alte Mobiliar entsorgt, steht man erstmal in einem leeren, hallenden Raum. Man hört nur die eigenen hohlen Worte und Schritte. Man muss neues Mobiliar suchen, mit dem man den Raum befüllen und schmücken kann, um sich zuhause und geborgen zu fühlen. Also hab ich angefangen nach neuen, für mich passenden Frauenbildern zu suchen. Mit ungeheurem Appetit. Ich hab gelesen und gelesen und gelesen. Wenn wir auf Episoden unseres Lebens zurück blicken, erkennen wir oft klare Strukturen und Wege, aber erst im nachhinein. Im Jetzt erschließt sich das einem nicht. Man braucht erst Distanz, um das Gesamtbild erkennen zu können. Heute sehe ich, wie mein Weg stringent von A nach C geführt hat:

Ablehnung der bisherigen Verhaltensmuster –> Suche nach neuen Verhaltensmustern –> Erarbeiten und Implementieren der neuen Verhaltensmuster

In der Situation selbst hab ich das natürlich überhaupt nicht so wahrgenommen. Es hat sich angefühlt wie ein einziges Kuddelmuddel. Zum Glück bin ich egoistisch veranlagt und gehe immer instinktiv meinen Weg. Wenn ich unglücklich bin, ist alles andere zweitrangig, das einzige, was zählt, ist herauszufinden, was falsch ist und es richtig zu machen. Das ist ein brutaler Egoismus, den ich manchmal bereue und verfluche. Aber es ist mein Wesen. Und tief drinnen bin ich dankbar dafür. So wie eine Pflanze zum Licht, wachse ich zum Glück. Und so wie die Pflanze, kann ich meine Natur nicht ändern (das ist was, worüber ich demnächst mehr schreiben will: Der irrsinnige Irrglaube der modernen Welt, dass alles korrigierbar, normbar ist, wenn man nur die richtige Formel findet und hart genug daran arbeitet. Uns ist das Wissen verloren gegangen, dass wir alle einen Kern, eine Natur, ein Wesen haben, das uns eigen ist. Ich glaube, um dieses Wesen herum können wir formen, verändern, verbessern, aber unsere eigentliche, ursprüngliche Form, Natur können wir nicht ändern)

Ein Leben in Büchern

Diese Bücher sind es, die mich auf meinem Weg begleitet haben, die Teil meines Lebens waren. Es gab zwar auch noch andere, wie zum Beispiel Marie Bashkirtseff, aber ausschlaggebend waren

• Briefe und Tagebücher von Virginia Woolf, sowie einige Biographien über sie

• Briefe und Tagebücher von Franziska zu Reventlow

• Briefe und Tagebücher von George Sand, vor allem der Briefwechsel mit Flaubert, sowie einige Biographien über sie

• Briefe und Tagebücher von Brigitte Reimann

Ich habe praktisch gelebt in und mit diesen Büchern. Hab sie gelesen – und am nächsten Tag wieder gelesen. Ich hab selber nicht ganz verstanden, wie ich ein Buch täglich lesen konnte. Das ist doch abstrus! Heute denke ich, das war wie sich mit einer Freundin zu treffen und ihren Geschichten zu zuhören.

Was ganz witzig ist, ist dass ich praktisch über die Frauen selber zum nächsten Frauenleben gekommen bin. Brigitte Reimann zum Beispiel hat mich zu Franziska Reventlow geführt.

Jede dieser Frauen hat mir geholfen Frieden mit einem Teil, einer Eigenschaft, von mir zu schließen. Ich meine das wortwörtlich so. Mit manchen meiner Eigenschaften hatte ich bis dahin erbitterte, blutige Kämpfe geführt. Weil ich mich geschämt hab für sie. Oder weil sie mich bloßgestellt haben. Oder weil sie mich verletzbar gemacht haben. Oder weil sie mich entfernt haben von meinen Mitmenschen. Diese Bücher haben mir geholfen mich zu akzeptieren in meiner Komplexität. Mit meiner Widersprüchlichkeit, meiner Leidenschaft, meiner mitfühlenden Seele und meinem mal heißem, mal kaltem Herzen. Haben mir auch zum ersten Mal ermöglicht mich in einem anderen Blickwinkel zu sehen. Das, was ich bisher als negativ angesehen hatte, als was positives zu sehen. Ich war vielleicht anders – aber ich war nicht allein oder die Einzige.

Worte sind machtvoll

Daher weiß ich, dass Worte was bewirken können. Dass sie Leben verändern können. Worte sind nix anderes als Leben in Buchstaben gegossen. Wenn wir frei und mutig sind und uns getrauen das zu leben und zu sagen, was wir fühlen, denken und glauben, wenn wir sorgsam sind mit anderen und uns selber, dann verändern wir jeden Tag die Welt. Mit jeder Entscheidung bestimmen wir nicht nur unser, sondern auch anderer Leben. Wir haben immer die Wahl:

  • Lachen wir über jemanden, der sein Herz ausschüttet oder nehmen wir ihn ernst?
  • Heben wir die Tasche auf, die einem Mitmenschen runtergefallen ist oder gehen wir weiter?
  • Machen wir Witze über Ausländer oder bedenken wir, wie wir uns an deren Stelle fühlen würden?
  • Sage ich was, was mich bloßstellt und verletzbar macht, was mich zum Außenseiter macht, weil es wichtig ist es zu sagen? Oder nicht?

Vier Frauen haben mein Leben verändert, weil sie ihres gelebt haben. Sie sind meine Frauenvorbilder und waren lebensnotwendig für mich

P.S. Für diesen Beitrag wurden – gänzlich unerwartet – einige Tränen vergossen.

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