Ein Ex von mir hat mal zu mir gesagt: „Wir alle wollen uns doch in anderen spiegeln, besonders in unseren Partnern.“ Das kam mir vor wie eines der schlimmsten, blödesten und gemeinsten Dinge, die man sagen und fühlen kann.
Wenn dem so wäre, was sind wir dann? Glorifizierte Spiegel? Sehen wir alle nur immer uns selber, sprechen mit uns selber, fühlen uns selber? Leinwände für die Bilder von anderen? Das sind wir? Sollen wir sein?
Und ich denke, das ist tatsächlich der springende Punkt: Weder spiegele ich, noch will ich gespiegelt werden. Ich will echte, eigene, unordentliche, authentische Interaktion. Ich hab immer das Gefühl, jemand, der mit mir ist, muss herkules-mäßig stark sein. Und ich glaube dieses Gefühl entspringt dem „Nicht-Spiegeln“, das ich will.
Ich weiß nicht, ich finde die Idee, dass andere Menschen eine Funktion für mich erfüllen müssen, grausam. Falsch. Ich hab mich schon vor Jahren entschieden Leute nicht zu manipulieren: nicht etwas zu sagen, nur weil es mir was bringt. Nicht etwas zuzustimmen, nur weil es einfacher ist und weil Zustimmung eine Gemeinsamkeit erzeugt. Nicht zu lächeln, nur um etwas zu erreichen, nicht die Schwachpunkte von anderen aus zu nutzen. Nicht reaktiv zu sein, sondern aktiv.
Und wenn man auf all diese üblichen Sachen verzichtet, ist es ganz schön hart. Und anstrengend. Das Zusammensein mit anderen ist schwierig, wenn man sie ernsthaft respektiert als gleichwertig zu einem selber. Wenn man die eigene Motivation, Gefühle und Befinden nicht über den anderen stellt, sondern sie als gleichrangig ansieht. Es ist nicht nur hart für einen selber, sondern auch für das Gegenüber.
Eine Beziehung, die sonst aus Gefühlen, Füllmaterial, Ritualen und einem selber besteht, muss plötzlich real erarbeitet und am Leben erhalten werden. Muss sich selbst genügen. Muss in der Lage sein für sich selber zu stehen, auf eigenen Beinen, einen Wert haben über das Existieren und Spiegeln hinaus. Das ist knochenharte Arbeit.
Aber es erscheint mir alternativlos, wenn ich mehr sein will als das Minimum, das ich sein kann. Und das will ich. Und dafür zahle ich den Preis. Er ist hoch. Aber kein Vergleich zu dem Preis, den ich zahlen müsste, würde ich aufgeben.
Als ich grad ein Brot mit Butter bestrichen habe, ist mir aufgefallen, dass ich den gleichen Ansatz wohl bei vielen Sachen im Leben anwende. Manche Leute, wenn sie nicht viel Butter essen wollen, bestreichen all ihre Brote mit wenig Butter. Das geht so weit, dass die Butter kaum noch mit bloßem Auge zu sehen ist. Das erscheint mir total abstrus.
Ich halt es lieber so: wenn ich mich schon entscheide Butter zu essen, dann nehm ich auch so viel, dass ich es genießen kann. Ich mein, was ist sonst der Sinn daran? Butter zu haben, nur um Butter zu haben?? Ich hab lieber ein paar Brote mit so viel Butter, dass die mir richtig gut schmecken und dafür hab ich dann ein paar Brote ganz ohne Butter, aber dafür mit dem Wissen, dass mir das gut tut. So hab ich immer entweder den vollen Geschmack oder das volle gute Gewissen.
Wenn man es runterbricht, ist das, was der Unterschied ist: Disziplin. Und die Qualität, die daraus entsteht. Die Disziplin zu lernen was ich will. Zu zahlen, was der Preis dafür ist. Die Disziplin mich zu entscheiden. Nicht die einfachste Lösung zu wählen, sondern nach der besten Lösung zu suchen. Aber vor allem anderen: die Disziplin zu sein.
Denn auf jedes Brot ein wenig Butter zu schmieren, so dünn, dass man sie kaum noch schmeckt, ist ein Akt des sich Entziehens: Keine Entscheidung treffen zu müssen, keine Verantwortung zu übernehmen, Dinge so einzurichten, dass ich nicht bewusst denken muss und das Gefühl zu haben, dass ich alles haben kann, ganz ohne einen Preis dafür zu zahlen. Und das Tragische ist: dieses Verlangen konsequenzlos zu leben, das uns das ganze Leben lang von Kapitalismus und Patriarchat als erstrebenswert vorgegaukelt wird, ist genau das, was uns so verarmt und vom Leben abhält. Wir tun Dinge nicht mehr aus einem Grund, sondern nur noch, um sie zu tun.
Die Leute haben dann zwar Butter auf all ihren Broten, aber sie schmeckt nach nix. Sie essen zwar Butter, aber wissen trotzdem nicht wie Butter riecht, schmeckt und sich anfühlt. Und damit sind sie doppelt betrogen: sie haben keinen Genuss daraus und können sich noch nicht mal darüber beschweren! Denn sie haben doch Butter, was wollen sie denn noch??? Kein Wunder, dass alle so zornig sind und die Welt auseinander bricht.
Bei dieser Nicht-spiegeln-Sache geht es also in Wahrheit um wichtige, prinzipielle Dinge. Und sie hat natürlich zwei Seiten: einerseits will ich mich nicht in anderen spiegeln, sondern sie sehen. Andererseits spiegel ich aber natürlich auch nicht andere wieder, sondern zeige immer nur mich. Das bedeutet, dass ich mit dem Großteil der Menschen gar keinerlei zufriedenstellende Beziehung haben kann.
Wir können uns einfach nicht das geben, was wir brauchen.
Das ist richtig schade. Und etwas tragisch. Trotzdem gebe ich nicht auf oder nach: Ich will niemanden spiegeln. Und will nicht, dass andere mich spiegeln müssen. Ich gebe einfach die Hoffnung nicht auf, dass da draußen Menschen sind, die auch keine Spiegel sein wollen.
Ich will gesehen werden und selber sehen. Will kein Gebrauchsgegenstand sein. Ist das schlimm?
Ist es möglich?


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