Ok. Heute bin ich nicht überzwerch, sondern eher etwas nachdenklich. Das Nachdenken hat mir das nun Folgende eingebrockt, lasst Euch das also ein warnendes Beispiel sein, wie weit es kommen kann, wenn man mal mit dem Nachdenken anfängt!
Was darf’s sein? Mitfühlend oder Sentimental
Je länger ich auf diesem Planeten bin, desto mehr merke ich, wie wichtig es ist sorgsam zu sein. Mit mir selbst und mit meinen Mitplanetariern. Das gilt auch oder sogar vor allem für die Beurteilung von Menschen. Wie wir alle ringe auch ich oft mit meinen eigenen Eigenschaften. Einige davon bringen mich in eine permanente Defensive der Welt gegenüber, während andere total pflegeleicht sind.Wir verhalten uns auf eine bestimmte Art und Weise und denken, unser Verhalten zieht automatisch bestimmte Reaktionen und Bewertungen der Außenstehenden nach sich. In Wahrheit ist es aber natürlich so, dass unser Verhalten von unterschiedlichen Personen mit unterschiedlichen Sichtweisen unterschiedlich bewertet wird, werden kann, werden muss.
Nehmt mich als Beispiel:
Mitfühlend?
oder
Sentimental
Man kann mich mitfühlend nennen und das als was schönes, positives sehen. Ich bemerke andere und ihre Situation und kann mich einigermaßen in sie hineindenken. Man kann das tupfengleiche Verhalten aber auch sentimental nennen und dann ist es plötzlich nicht mehr so was nettes. Dann ist es was halbnegatives, jemand, der sich nicht gegen die Gefühle und Situationen anderer wehren kann. Ich selber hab dabei gar kein Mitspracherecht, andere bestimmen, aufgrund ihrer eigenen Lebenserlebnisse, wie sie mich definieren.
Positiv?
oder
Naiv
Man kann mich positiv nennen, weil ich mich bewusst entscheide an die Menschen und die Welt und das Leben zu glauben. Ich weiss, dass dafür ein Preis zu zahlen ist und ich bin total bereit ihn zu zahlen. Das juckt mich null. Oder man kann das tupfengleiche Verhalten naiv nennen, dann ist das plötzlich was halbnegatives, weil ich bereit bin immer und immer wieder den Preis zu zahlen für meine Überzeugungen. Wieder hab ich selber dabei gar kein Mitspracherecht, andere bestimmen, aufgrund ihrer eigenen Lebenserlebnisse, wie sie mich und mein Verhalten definieren.
Ich verhalte mich immer gleich, nur der Bewertende entscheidet mit seinem persönlichen Blickwinkel, wie er das Ganze nennt. Irgendwie gemein. Letztendlich ist es wie immer:
Der, der bewertet, sagt damit nicht zwangsläufig etwas über den, den er bewertet aus, aber zwingend immer etwas über sich selber
Wie, Du bist jetzt kein Egoist mehr?
Es ist mir erst in den letzten Jahren irgendwie wirklich klar geworden, dass es sowas wie eine Eigenschaft also in echt ja gar nicht gibt. Zumindest nicht als was objektives, definitives. Ich hatte immer die Idee, dass Verhalten A auch als Verhalten A wahrgenommen wird. Und war dann erstaunt und oft verletzt, wenn dem nicht so war. Ich hab dabei total übersehen, dass mein Blickwinkel einfach oft ein anderer ist als der der Welt um mich herum. Was ich als Verhalten A ansehe, ist für den Großteil der Menschen vielleicht Verhalten Z. Ich beobachte oft, dass wir Menschen ein großes Problem damit haben verändertes Verhalten wahrzunehmen. Wenn man mal darüber nachdenkt, bewerten wir eine Person initial, wenn wir sie kennenlernen. Wir bilden uns ein Urteil, legen die Parameter der Persönlichkeit fest – und dann ist Schluss. Wir beobachten das nicht weiter. „Der isso.“ Punkt. Oft kriegen wir deshalb auch erst gar nicht mit, wenn jemand sich ändert und sind manchmal wie vor den Kopf gestossen, wenn Menschen sich so verhalten, wie wir es nie für möglich gehalten hätten: „Das passt gar nicht zu ihm/ihr.“ Als würde die Welt still stehen und Menschen sich nie ändern.
Das Benennen von Verhalten ist also immer eine Gemeinschaftsarbeit zwischen dem, der eine Eigenschaft hat und dem, der sie bewertet. Und je sorgsamer wir beim Bewerten sind, desto näher kommen wir dem Menschen, den wir bewerten. Klar, wusste ich das, wie wir alle das wissen. Theorethisch. Aber emotional hatte ich das einfach noch nicht wirklich begriffen. Und erst, wenn wir die Dinge auch emotional verstehen, haben sie es wirklich voll und ganz in unser Bewusstsein geschafft, auf eine Weise, in der wir sie auch nutzen und in unser Leben implementieren können. Der Moment, wenn es emotional „Klick“ macht, fühlt sich für mich immer total cartoonmäßig an:
Brett-vorm-Kopf-mäßig 🚧
Mit-der-Hand-vor-die-Stirn-hau-mäßig 🎯
Doing! Klong! Knall! 💢⁉️
Und ich muss dann immer über mich selber lachen. Einerseits weil ich von meiner plötzlichen Erkenntnis so selig hin und weg bin: Wie ein Kind, das grad selbstständig rausgefunden hat, wie das Licht an und ausschalten funktioniert oder gehört hat, dass morgen der Weihnachtsmann kommt und jedem davon erzählen muss. Andererseits, weil ich davor so vernagelt war! Ich wusste das doch die ganze Zeit, warum hab ich es denn dann nicht richtig wahrgenommen!?! MANN!!!
Du bist so ’ne coole Socke!
Früher hab ich mir oft Meinungen über Menschen gebildet und mich im gleichen Moment wieder davon frei gesprochen. „Wenn xy eben so doof ist, ist das ja nicht meine Schuld, wenn ich das auch so empfinde.“ Das war bequem, hat eine Distanz zwischen mir und anderen geschaffen und mir erlaubt gemein zu sein, wenn ich es wollte. Heute ist mir jederzeit bewusst, dass das, was ich als doof empfinde, der nächste als angenehm empfinden kann.
Das ist irgendwie ein cooler, freier Gedanke
Letztendlich ändert es zwar nix daran, dass ich sage: xy ist doof. Aber es ändert was daran, ob wir beide daran glauben, dass er tatsächlich doof ist, für immer doof bleibt und keine Chance hat irgendwann mal nicht mehr doof zu sein. Und es macht mich, den Bewertenden, weniger mächtig. Es macht mich bescheidener. Kleiner, unbedeutender. Das gefällt mir.
Es lässt mich aufatmen zu wissen, dass selbst, wenn jetzt 9 Leute zu mir sagen „Du bist bescheuert.“, irgendwo woanders, vielleicht in einem Dschungel in Südamerika oder in New York oder in Entenhausen 9 Leute sagen „Du bist eine coole Socke!“. Es ist irgendwie schön, befreiend und tröstlich, dass diese ganze Sache mit den Eigenschaften somit letztendlich nur Schall und Rauch ist und wir nicht für immer gefangen sind in den Spiegelbildern unserer Mitmenschen. Es ist fließend und niemand hat die Macht uns zu sagen, wie wir sind. Und seit ich das alles emotional verknuspert hab, bin ich um so vieles glücklicher.
Wenn Ihr ein paar meiner Sachen gelesen habt, dann wisst Ihr, dass ich manchmal sehr verletzt bin davon, dass die Welt oft was von mir will, was ich nicht habe. Oder nicht haben will. Wenn ich also mal einen schlechten Tag habe und damit hadere, dass ich so oder so bin, nirgendswo reinpasse oder wenn es mich umtreibt, dass Herr M. gesagt hat ich sei so oder so und mich damit verletzt hat, dann weiss ich, dass irgendwo da draußen sicher Menschen sind, die das ganz anders empfinden. Die mich schön finden. Und die damit die kleine Wunde heilen, die Herr M. mir in seiner Unachtsamkeit zugefügt hat.
Und ich selber knall meine eigene Meinung nicht mehr auf den Tisch, überzeugt von ihrer Allgemeingültigkeit und Kraft. Ich versuche sorgsam zu sein. Klar, das klappt nicht immer. Aber zumindest manchmal. Und dann ist es schön.
Komischerweise ist die Person, die am meisten davon hat, dass sie sorgsam mit anderen umgeht, ich selbst