Liebe tut nicht weh

Liebe tut nicht weh. Nie. Niemals.

Das, was weh tut sind die Symptome von Liebe. Die Abwesenheit von Liebe. Was weh tut sind hauptsächlich Erwartungen- enttäuschte Erwartungen, verletzte Erwartungen.

Symptome
Angst ist die vorauseilende Erwartung von möglichem, künftigem Schmerz.
Angst vor dem Schmerz des Verlusts, Angst davor nicht gemocht, geliebt zu werden. Angst, dass man nicht genug ist: Nicht lustig genug, nicht aufregend, locker, streng, klug,beliebt genug.
Angst, dass wir nicht das sind, was von uns erwartet wird. Und Angst, dass die eigenen Erwartungen an die geliebte Person zu hoch sind. Was ist, wenn wir uns nichts zu sagen haben? Was ist, wenn wir gar nicht an die selben Sachen glauben? Die furchtbare, erstickende Angst zu vertrauen, den Schritt ins Ungewisse zu tun. Die Angst, dass lieblos mit einem umgegangen wird. Angst, das wir hintergangen werden.

Und dann sind da auch noch all die schamvollen Dinge:
Wenn man Streit anfängt, nur um die Leere zu füllen. Wenn man dem anderen weh tun will, weil man selber Schmerz hat. Wenn man wie ein zweiflerischer Pferdehändler das Gegenüber heimlich beäugt und abwägt: Kann ich mit dem zusammen sein? Soll ich wirklich was riskieren? Und will ich für diesen Menschen wirklich einstehen?

Aber – Liebe selbst macht keine Angst. Es ist das Scheitern in und an der Liebe, das so viel Angst macht.
Es sind die Erwartungen an die Liebe und den Geliebten, die so schrecklich viel Angst machen.

Leben nach Bildern
Wir alle haben so viele Bilder und Filme im Kopf, wie das Leben, die Liebe, eine Beziehung, auszusehen hat. Das fängt zum Beispiel schon damit an, dass wir alle ein Bild davon haben, wie ein glückliches Frühstück auszusehen hat: Sonnenschein, Familie um den runden Tisch, Orangensaft, Lachen, goldenes Licht, ein gefüllter Brotkorb, alles ist magisch sauber und leuchtend und alle sind gesund und glücklich. Ein Bild, das bei den allermeisten, inklusive mir, eine Lebensmittelwerbung ins Gehirn und Herz gepflanzt hat. Das ist doch irre!

Wir kriegen diese Bilder von unserer Umwelt eingeimpft: Von Eltern, Freunden, aber heutzutage vor allem aus den Medien. Es ist ein normales Verhalten nach Vorbildern Ausschau zu halten. Wir lernen durch Beobachtung. Das Problem ist nur, dass ein Film oder eine Werbung eben nicht real sind. Wenn man nach diesen Bildern und Idealvorstellungen strebt, gibt es überhaupt keine andere Möglichkeit als enttäuscht zu werden. Man programmiert den Misserfolg, die Enttäuschung praktisch schon im voraus ein. Denn das echte Leben ist nicht perfekt. Und diese Idealvorstellung ist nur eine leblose Hülle, ein Stilleben, nicht mit Leben erfüllt und daher auch nie erreichbar. Es ist nur eine Phantasie.


Der romantische Abend
Ein klassisches Beispiel: Das Bild vom „romantischem Abend“, wie wir es aus unzähligen Sitcoms und Schmachtfilmen kennen. Ein Partner will den anderen überraschen, hat was leckeres gekocht, nen Film ausgeliehen oder Theaterkarten gekauft, sich schick angezogen und wartet nun freudestrahlend, bis der andere heimkommt. Er/sie ist voller Erwartungen. Nu kommt der Gegenpart heim und hatte einen beschissenen Tag im Geschäft, die Bahn hat gestreikt und der Kopf dröhnt. Und damit nimmt das vorprogrammierte Fiasko seinen Lauf. Beide Seiten sind verletzt. Die Seite mit der Überraschung fühlt sich schlecht behandelt, nicht gewürdigt und ungeliebt. Die Seite mit dem dicken Kopf fühlt, dass die andere Seite übergriffig ist, keime Rücksicht nimmt und zu viel erwartet.

In Wahrheit ist das mit der „Überraschung mit einem romantischen Abend“ etwas, was wir wahrscheinlich nie in Erwägung ziehen würden, wenn wir nicht diese Phantasie, dieses Bild eingetrichtert bekommen hätten. Denn: Wir können nicht von anderen erwarten, dass sie Gedanken lesen können. Wir können nicht einfach über Zeit, Raum und Gefühle von anderen bestimmen. Wenn ich einen schönen Abend gemeinsam verbringen will, dann sollte ich den Menschen, mit dem ich das machen will, auch fragen, ob er das auch will oder kann. Und ihm die Chance geben sich darauf einzustellen. Und ja, Überraschungen sind toll (wenn man sie mag, was ich nicht tue) – aber Vorfreude ist auch was schönes.

Der Verlust der Identität
Sobald wir in einer festen Beziehung sind, tun wir oft so, als wäre unser Partner eine Verlängerung von uns selbst. Plötzlich ist es „unsere“ Zeit, nicht mehr meine oder Deine. Wir erwarten, dass der andere schon versteht, was wir „eigentlich“ meinen, selbst wenn wir gar nichts sagen oder was ganz anderes. Wir glauben zu wissen, was der andere denkt und fühlt und hören daher auf zuzuhören, was der andere tatsächlich sagt.

Wir lieben die Person, behandeln aber die Persönlichkeit oft lieblos und selbstverständlich. Das gruseligste, was ich in dieser Richtung erlebt hab, war eine Person, die von ihrem Freund nicht mehr mit Namen oder mit einer Funktion gesprochen hat, sondern ihn nur noch als „Meiner“ betitelt hat. Ihr Freund war also nicht mehr der „Peter-Alexander“ oder zumindest noch „mein Freund“, sondern nur noch ihr Besitz. Meiner. Es schüttelt mich noch heute, wenn ich daran denke.

Man sollte meinen, wenn man jemand liebt, geht man besonders sorgsam und liebevoll mit dessen Gedanken, Gefühlen, Ängsten und Ideen um. Man sollte meinen, wenn man jemand liebt, gibt man ihm viel Raum, unterstützt und feuert an. Statt dessen ist es oft genau anders herum: Sobald eine Beziehung fest ist, wird Achtsamkeit und Sorgfalt fallengelassen und Selbstverständlichkeit und Lieblosigkeit kehren ein. Ganz viele Paare sind sehr verletzend und lieblos zueinander. Und das Schlimmste ist: Oft merken sie das gar nicht mehr. Sie sind zwar unglücklich und unzufrieden, kommen aber nicht auf die Idee, dass der Grund dafür der ist, dass sie ihre Unzufriedenheit verletzend an ihrem Partner auslassen, anstatt miteinander zu sprechen und was zu ändern.

Was braucht denn Liebe überhaupt?
Achtung
Jemanden losgelöst von uns selbst lieben. Fehler, Schwächen, schlechte Angewohnheiten sehen und akzeptieren – auch wir sind nicht perfekt.

Vertrauen
Vertrauen ist kein Konto, bei dem man das einzahlt, was man herausbekommen will. Wenn man liebt, muss man sich entscheiden zu vertrauen. Einfach so. Voll und ganz. Und ohne eine Rechnung aufzumachen. Also vertrau dem Menschen, den Du liebst, denn wie kann man sonst lieben? Trau dem anderen zu, dass er sorgsam mit Dir umgeht. Und vertrau in Dich selbst, glaub an Dich selbst: Du bist Liebe wert.

Investier was, trau Dich was
Liebe braucht Pflege. Wie ein Garten, aus dem man Unkraut zupft: Wenn Dich zum Beispiel was stört, sag es, anstatt es runter zu schlucken. Denn dann wächst es nur im Verborgenem und aus einer kleinen Mücke wird plötzlich ein Riesenelefant.

Aber das aller, allerwichtigste
Weg mit den beschissenen Vorstellungen, wie was zu sein hat! Sieh das echte Leben. Fühl was echtes, lass es passieren, leb es, anstatt zu versuchen es zu erzwingen, zu kontrollieren und dadurch alles zu verpassen

Nein, Liebe ist nicht das, was uns weh tut. Wir sind das.

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