Wie so oft verwechseln wir Sachen, weil wir nicht gelernt haben folgerichtig, klar und konzentriert zu denken. Weil es uns niemand lehrt. Wir vermischen das Außen und das Innen. Versuchen das Außen mit dem Innen zu lösen. Statt dessen sollten wir auf der einen Seite: (innen) lernen mit uns zu leben so wie wir sind. Unsere Gefühle auszuhalten. Uns anzuerkennen. Und auf der anderen Seite sollten wir: (außen) Grundsätze, Ethik, Prinzipien haben. Und diese Zweiseitigkeit, das korrekte Zuordnen von innen und außen, bringt, was ich ganz sicher bin, dass wir es brauchen: Die Entkopplung von unserem Wesen (innen) und dem ständigen Zwang und Druck der Verurteilung, der Beurteilung und des „nicht genug, nicht gut genug“-Sein (außen).
Ich bin sicher: Nur so kann tatsächliches Wachstum stattfinden. Indem wir die Dinge richtig zuordnen, uns anerkennen, an unserem Verhalten arbeiten, an unserer Stellung zu Dingen, anstatt an uns. Indem wir uns nicht in der perversen Idee verfangen lassen, dass wir daran arbeiten müssen, dass wir zum Beispiel keine Angst mehr haben. Das ist doch idiotisch. Wir haben Angst, weil uns etwas Angst macht. Manchmal sogar wir selber. Warum sollten wir das unterbinden wollen? Uns praktisch selbst verstümmeln, indem wir uns dieser Kraft berauben?
Wir sind traurig, weil uns etwas traurig macht. Manchmal wir selbst. Warum sollten wir uns dieser phänomenalen Fähigkeit traurig zu sein berauben wollen? Statt dessen sollten wir uns anerkennen und sagen: Ok, ich hab Angst, lass mich was machen, bei dem ich keine Angst hab. Und noch wichtiger: Würden wir nicht total panisch werden, sobald wir negative Emotionen fühlen, würden Millionen Menschen nicht andere Menschen unterdrücken, missbrauchen, verletzen. Sie tun das, um ihre negativen Gefühle zu kontrollieren, sie auszulöschen. Könnten sie mit ihren Gefühlen umgehen, müssten sie nicht andere verletzen, wenn sie selbst verletzt sind.

Wenn man sich anerkennt, anerkennt, dass es einen natürlichen Zustand von einem selbst gibt, so wie es ein natürliches Aussehen gibt, entsteht Wachstum: Man lernt sich kennen, anstatt sich zu unterdrücken oder anzupassen. Man lernt, wie man mit Situationen umgehen kann, anstatt ihnen ausgeliefert zu sein. Es ist etwas sehr christliches, katholisches an diesem „nicht würdig, nicht gut“-Sein, das wir seit ewigen Zeiten leben. In der christlichen, der konservativen Idee ist der Mensch per se schlecht, schwach und Sünder. Und nur Gehorsam, Kontrolle und Hingabe an eine Idee kann uns von unserem natürlichen Zustand der Sünde retten. Rettung kommt nicht von innen, sondern von außen. Was macht uns das? Abhängig.
Was für eine furchtbare, furchtbare Verurteilung diese Ideologie, diese Religion ist: Wir können selbst nie genug sein, egal wie sehr wir es versuchen. Wir brauchen immer Gnade von außen. Es ist eine Abweisung unseres natürlichen „Selbst“. Und wir gehorchen. Wir infantilisieren, entmündigen uns selbst, in dem wir uns jedes Mal, wenn wir scheitern oder Angst haben, in Frage stellen. Indem wir uns ständig als nicht gut genug erachten und um Himmels willen ja nicht unser Licht scheinen lassen.
Es geht dabei auch um Kontrolle – wieder etwas, was verbunden ist mit Religion: Uns zu sagen, dass wir nicht perfekt, nicht gut genug sind, ist ein präziser, idealer Weg eine Gesellschaft im Griff zu halten, sie zu manipulieren, so dass sie nichts von ihren Führern verlangt – schließlich sind die Bürger es ja selber, die das Problem sind, sie sind nicht gut genug, nicht glücklich genug! Tatsächlich sind das in der Gesellschaft die Mittel der Wahl, um Bürger unkritisch und nicht involviert zu halten: Divide and conquer und gaslighting. Beides macht, dass man sich selber verliert, dass man sich nicht vertraut und traut. Sich nicht an-er-kennt.