Dieses Bild von mir selber, wie ich in der Vollnarkose liege und gleichzeitig außerhalb von mir selbst existiere und bewußt bin, hat alles für mich umgeworfen. Es sorgt dafür, dass ich immer unruhiger werde und immer mehr denke: Ich muss was tun. Die Welt muss besser werden. Denn, wenn ich als Bewusstsein außerhalb von meinem Körper existieren kann – dann bin ich in all dem hier für eine lange, lange Zeit. Bisher dachte ich immer: „Nu gut, Du kannst nur hoffen, dass es (Gesellschaft, Menschheit, Planet) noch so lang hebt, bis Du stirbst. Und dann bist Du eh weg und kannst nix mehr tun, kriegst nix mehr mit. Versuch so gut wie möglich Einfluß zu nehmen für die nächsten Generationen, aber das ist es“. Aber plötzlich eröffnet sich die Möglichkeit, dass ich an all das gebunden bin. Für immer. Und bei der Vorstellung, dass wir in 3021 nicht wirklich viel weiter sind als vor 5000 Jahren, was unsere emotionale, menschliche Reife und Reise betrifft, wird mir übel.
Eine gewaltige, enorme Umwälzung, eine Veränderung bewegt sich in mir, am Rande meines Blickfelds. Ein Erahnen von etwas. Ein Einrasten des Seins in die Bahnen, für die es immer schon vorgesehen war. Bevor alles entgleist ist. Der Unterschied zwischen atmen. Und durchatmen. Zwischen schauen. Und erkennen. Und das Wissen, dass das „Entgleisen“ nichts persönliches ist, sondern etwas, was wir als Gesellschaft, als Menschen uns antun. Dass das „Entgleisen“ was ist, was nicht von Geburt an so war.
Irgendwann, ganz am Anfang war ich in meinem Gleis. Ich hab um mich geschaut und der Welt und den Menschen vertraut. Ich hab alles von mir gezeigt. Ich hab gelacht, weil ich glücklich war zu sein. Die Welt hat mich erfreut. Meine kleinen Hände haben nach der Welt gegriffen ohne sie zu fürchten und ohne etwas Böses zu erwarten. Weil noch keine Ahnung von Bösem in mir war. Ich war ich. Aber dann hat niemand hat mir erlaubt ich zu sein. Niemand hat mich anerkannt und angenommen wie ich bin. Statt dass die Menschen mich nehmen wie ich bin, musste ich die Menschen so nehmen wie sie sind. Und wer am meisten Raum einnehmen durfte, wer sich am meisten gehen lassen konnte, wurde bestimmt durch Stärke. Je stärker einer war, desto mehr mussten die anderen zurückstehen.
Der Aufwand war ganz allein meiner, niemand hat für mich einen Aufwand erbracht. Der Aufwand mich selber zu unterdrücken, zu drehen und biegen, Enttäuschungen zu schlucken, Ängste zu überleben, so dass niemand irgendwas schlechtes über mich denken oder sagen konnte, so dass niemand Grund hat mich zu verletzen, war ganz allein meiner. Friss oder stirb. Mach Dich so klein wie möglich, so dass niemand Grund hat über Dich zu stolpern und Dich deshalb zu bestrafen oder zu vernichten.
Und da bin ich entgleist. Wie wir alle entgleisen eines Tages. Weil anstatt Raum für einander zu machen und sorgsam zueinander zu sein, muss man in unserer Gesellschaft uns einen Grund geben, um andere nicht klein zumachen, zu verletzen und zu zerstören. Und selbst ohne einen Grund zu geben, kommt in Wahrheit keiner von uns davon.
Man muss sich nur vorstellen wie unglaublich gut, produktiv, schön und richtig eine Welt, eine Gesellschaft wäre, wenn es unsere Aufgabe wäre bei uns zu bleiben, uns zu unterstützen, anstatt uns zu verletzen. Wenn jeder sich selber anerkennt. Statt dessen machen wir die Welt zu einem Schlachtfeld.
Ich verrate Euch ein Geheimnis: Das Leben, das Sein ist unendlich leicht, unendlich klar, wenn man die Dinge richtig zuordnen und benennen kann. Wenn man sie anerkennt. Das ist, worin ich gut bin. Das ist meine Superkraft: Ich kann Chaos in Ordnung verwandeln. Ich kann verwesendes, aus dem nur Elend erwachsen kann, neu ordnen, es in etwas verwandeln, das Sinn macht und aus dem etwas Neues, Positives erwachsen kann. Das ist meine Bestimmung. Und noch ein Geheimnis: Jeder Mensch, jeder von Euch, der das gerade liest, hat seine eigene Superkraft. Seine eigene Bestimmung. Etwas, das sich richtig anfühlt, schwerelos. Alle Räder drehen sich plötzlich so wie sie sollten, kein Aufwand nötig. Das heißt nicht, dass jeder von uns der einzige ist, der diese Superkraft hat. Viele von uns haben dieselbe Superkraft. Und trotzdem sind wir einzig. Denn nur wir haben unsere Erfahrungen gemacht, haben unsere Gene. Und kombinieren wir das mit unserer Superkraft, entsteht etwas, das mehr ist. Unsere einzigartige Mega-Superkraft. Und wenn wir dann unsere Mega-Superkräfte zusammenpacken, wenn wir zusammen stehen, dann können wir im Nu die Welt verändern. Und die Welt muss geändert werden.
Und das alles bringt letztendlich ein Wollen, ein Müssen in mir hervor, das einhergeht mit der Umwälzung: So viele wie möglich von denen, die Sehnsucht haben, wissen zu lassen, dass sie nicht für immer verloren sind. So wie ich früher verloren war und es nicht mehr bin. Wie ich wieder an mir angedockt hab und in mein Gleis zurück gefunden hab. Sie wissen zu lassen, dass sie ihre eigenen Gleise haben, zu denen sie wieder zurückkehren können. Dass sie sich selber an-er-kennen können. Und wenn wir, Du und ich, einer nach dem anderen, uns anerkennen, dann lassen wir das Schlachtfeld hinter uns. Einer nach dem anderen. Bis alles friedlich und ruhig ist und es nirgendswo mehr Schlachtfelder und Schlachtgetümmel gibt. Nur noch Wege und Gleise.
